Nach
der Premiere am 25. Mai 2003 hat es Pressestimmen gegeben, die diese Produktion
als absoluten Höhepunkt seit langem priesen. Dies kann ich nicht völlig
nachvollziehen. Sicher, Willy DECKER hat eine Regie abgeliefert, die nicht
wirklich stört, die keine Gründe bietet, sich zu ärgern, aber an seine
Glanzleistung der letzten Saison mit „Katja Kabanova“ kann er nicht anknüpfen.
Alles bleibt im Ungefähren, die Personenregie hat nicht die Dichte, die
man sich wünschen könnte. Einige Szenen sind verschenkt (Maskenball),
andere durchaus interessant (Lisa wird à la „Forza“ versehentlich von
einer Kugel aus Hermanns Waffe getroffen). Das Symbol der Karten ist immer
anwesend, und das alles nicht gut ausgehen kann zeigt sich schon daran,
daß Hermann von Beginn an mit einer Pistole herumfuchtelt.
Das
Bühnenbild (Wolfgang GUSSMANN) besteht meist aus einem überdimensionierten
Kartentisch sowie verschiebaren Wänden und Säulen, was durchaus praktikabel
ist. Allerdings wäre es schön, wenn die – stilistisch durchaus passenden
- Kostüme (auch Gussmann zusammen mit Susana MENDOZA) auch andere Farben
aufweisen könnten als grau in diversen Schattierungen. Gerade aus den
oberen Rängen wird es, auch angesichts der dämmerigen Beleuchtung (Hans
TOELSTEDE), mühsam, einzelne Figuren zu identifizieren, zumal die Herren
fast alle eine Uniform tragen und die Damen ähnliche Kleider.
Ähnlich
wie mit der Regie erging es auch Adrianne PIECZONKA (Lisa). Sie singt
die Partie technisch perfekt, mit aufblühender Höhe und kostbarem Timbre,
aber es gelingt ihr nicht, auch nur annährend die Intensität ihrer Katja
zu erreichen. Es scheint, daß ihr zum Charakter der Lisa der Zugang nicht
ganz gelungen ist. Die Begeisterung über die Gräfin von Julia JUON kann
ich nicht nachvollziehen. Die Sängerin macht technisch alles richtig,
doch die Dämonie, die der Figur innewohnt, war für mich nicht spürbar.
Robert
BRUBAKER (Hermann) ist ein interessanter Sänger, der zusätzlich eine hervorragende
Diktion im Russischen aufweist, die sogar jemandem auffallen muß, der
der Sprache nicht mächtig ist. Die Stimme ist in der unteren Region spannend
timbriert, doch sobald es in die Nähe eines Spitzentons kommt, hört man
Kratzer und Intonationtrübungen, die auf deutliche Überforderung hindeuten.
Trotzdem vermag er es, Spannung und Ergriffenheit zu erzeugen.
Bei
den tieferen Stimmen gebührt Egils SILINS als Tomsky der Vorrang. Die
Stimme weist eine gewisse körnige Robustheit auf, die jedoch zu der Figur
paßt. Seine Art, mit Hermann umzugehen, ist schließlich nicht gerade feinsinnig,
und so ist er mehr Offizier als Gentleman. Dalibor JENIS’ Jeletzky hingegen
zeigt keine Spur eines Fürsten. Er wirkt stimmlich und darstellerisch
eher wie ein Landei, welches sich erstmals in einen großen Salon verirrt
hat. Es fehlt daher die Weltläufigkeit, die ja gerade im Unterschied zu
Hermann besteht. Die Phrasierung seiner Arie war schlichtweg verschenkt.
Bei
den kleineren Rollen ragten Yvi JÄNICKE als Polina mit wunderschön geführten
Mezzo sowie Alexander TSYMBALYUK als Ssurin mit mächtigem Baß hervor.
Beide Sänger zeichneten sich zudem durch große Spielfreude aus. Angenehm
ergänzte Johanna JANY als Mascha, unauffällig blieben Jörn SCHÜMANN (Narumoff)
und Frieder STRICKER (Tschaplitzky), während man Peter GALLIARD als Czekalinsky
nicht zu seinem Vorteil aus den Ensembles heraushörte.
Der
CHOR unter Florian CZISMADA machte seine Sache gut; es gab anfänglich
zwar ein paar Unsauberkeiten, die jedoch schnell verschwanden. Das PHILHARMONISCHE
STAATSORCHESTER hat schon Abende gehabt, an denen es sauberer spielte,
insbesondere im Blech gab es einige Male Grund zum Zucken. Ingo METZMACHER
hat offenbar zu Tschaikowsky wesentlich weniger Affinität als zu Janacek.
Der Orchesterpart vermag in keiner Sekunde wirklich zu packen, es bleibt
alles solide, aber eben ohne Gefühl. MK
P.S.:
Pausengespräch: „Weswegen schläft die Gräfin auf einem Kartentisch?“ –
„Na, ja, auf dem Billardtisch hatte sich schon der Graf von Saint-Germain
einquartiert.“
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