Was
macht man, wenn man in einer Vorstellung feststellt, daß der beste Sänger
gerade ermordet wurde (dramaturgisch versteht sich!) und der Rest einen
nicht wirklich befriedigt? Richtig, man geht. Wie
Sie, die Sie es noch nicht durch die Überschrift mitbekommen haben sollten,
wahrscheinlich merken, handelt es sich um Tosca. Scarpia ist tot, was
soll noch kommen??? Zumal die Regie auch nicht so super ist, wie ich aus
viermaliger Erfahrung weiß.
Für
die zeichnete Robert CARSEN verantwortlich. Die „Tosca“ an einen anderen
Platz zu verlegen, birgt immer ein großes Risiko, gerade im ersten Akt,
da sehr viel über die lokalen Gegebenheiten kommuniziert wird (Kapelle,
etc.). Carsen verlegte die Handlung in ein Theater, an deren Wand der
Maler Cavaradossi (in einem historischen Theater kann man einen Maler
akzeptieren) sein Bild der Maria Magdalena vervollständigt. Das tut er
auf einer verschiebbaren Leiter, die Scarpia später zum Auftritt zwischen
den zwei großen Stelen im hinteren Teil der Bühne dient.
Die
Personenregie fällt reichlich konventionell aus. Zu Beginn des zweiten
Aktes, der nunmehr, wie es sich gehört, im Zimmer des Polizeichefs spielt,
fällt ein überlebensgroßer Holzhammer auf das augenscheinlich amüsierte
Auditorium. In großen roten Lettern steht „Vietato fumare“ auf der Wand,
und was macht Scarpia? Richtig, er pafft genüßlich dicke Wolken in die
Luft. Der zweite nicht minder große Holzhammer droht, als der Baron Toscas
Bildnis zerschneidet (Symbol für „Ich vernichte sie“!). Relativ gut gelungen
finde ich die Szene, in der es nun zum (für einen Partner) letalen Akt
kommen soll. Beide entkleiden sich eher widerborstig, fast etwas angewidert
nach dem Motto „Schatz, wollen wir jetzt Liebe machen?“ – „Na gut, wenn’s
sein muß...“
Das
Bühnenbild von Anthony WARD ist relativ schlicht gehalten. Seine Kostüme
sind gut gelungen. Die Bonzen von Scarpia tragen schwarze Anzüge, er selbst
einen Anzug mit Weste, Cavaradossi hingegen ein hellblaues Hemd, im zweiten
Akt zunächst noch ein Jackett. Die Diva hätte vielleicht eine Spur glanzvoller
sein können. Ich frage mich nur ernsthaft, ob das üppige „Bühnenbühnenbild“
am Ende des ersten Aktes wirklich notwendig war. Das Geld für die zehn
Sekunden hätte man besser anlegen können, ohne in irgendeiner Art Abstriche
in Kauf zu nehmen.
Musikalisch
gab es ein Debüt zu vermelden. Inga NIELSEN, eine tolle Elsa und faszinierende
Salome, sang zum ersten Mal die Tosca, was sie lieber bleiben lassen sollte.
Sie hat einfach eine zu harte Stimme für das italienische Fach. Die Tatsache,
daß sie fast kein Brustregister und somit eine sehr kurze, schlecht ausgebildete
Tiefe hat, wurde ihr hier zum Verhängnis. Außerdem waren viele unschön
gepreßte hohe Töne zu vernehmen. Im Übrigen konnte Nielsen auch darstellerisch
nicht überzeugen. Sie ist einfach zu nett, ja, zu sympathisch für eine
Diva.
Ihr
Cavaradossi war bei Gabriel SADÉ auch nicht gerade in den besten Händen.
Er sang alles in einem Einheitsforte und stemmte die meisten Spitzentöne
unschön in die Höhe, so daß man so einige Male zusammenzuckte, z. B. bei
seinen „Vittoria“-Rufen. Dazu kam, daß er insgesamt sehr kurzatmig sang
und rhythmisch nicht immer sicher war, obwohl er sich stets bemühte, das
zu sein, so daß eine gewisse Statik in seinen Vortrag eintrat. Ach ja,
wenn Ihnen der Name bekannt vorkommt: Sadé ist amtierender „Sänger des
Jahres“ der Zeitschrift „Opernwelt“...
Als
Scarpia konnte sich Robert HALE von seinem mißlungenen König Philipp („Don
Carlos“) rehabilitieren. Trotz seines Alters (66) verfügt er über eine
ziemliche Durchschlagskraft, die es ihm sogar ermöglicht, im Te deum über
den Chor und das Orchester zu kommen. Kurioserweise bewegte er zum ersten
„Va, Tosca“ nur die Lippen. Im zweiten Akt konnte er dann auftrumpfen
und stellte einen bösen Charakter auf die Bühne, der mir manchmal einen
Hauch zu vordergründig war. Eine leichte Härte beim Tonansatz und eine
etwas raue Stimme seien der Vollständigkeit halber erwähnt.
Bei
den Comprimarii standen zwei altgediente Ensemblemitglieder zwei jungen
Opernstudiomitglieder gegenüber. Dieter WELLER als Angelotti zeigte mit
schlechtem Italienisch und eher rezitativischem Vortrag, wie man es nicht
machen sollte, Carl SCHULTZ wies als Mesner erstaunliche mimische Ähnlichkeiten
mit Freddie Frinton auf, gesanglich blieb er blaß, und etwas Unterricht
in Diktion könnte ihm nicht schaden. Michael SMALLWOOD (Spoletta) und
Moritz GOGG (Sciarrone) komplettierten die Sängerriege der ersten beiden
Akte. Wie Katja PIEWECK den Hirten sang, kann ich aus wohl verständlichen
Gründen leider nicht sagen.
Alexander
DRCAR am Pult des PHILHARMONISCHEN STAATSORCHESTERS leitete routiniert
die Aufführung für den erkrankten Lawrence Renes. Man hat das Werk hier
allerdings schon wesentlich besser gehört. Der CHOR unter Florian CSIZMADIA
und die HAMBURGER ALSTERSPATZEN unter Jürgen LUHN fielen nicht groß aus
der Reihe. Wolfgang Schmoller
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