„TOSCA“ - 3. Mai 2003

Was macht man, wenn man in einer Vorstellung feststellt, daß der beste Sänger gerade ermordet wurde (dramaturgisch versteht sich!) und der Rest einen nicht wirklich befriedigt? Richtig, man geht. Wie Sie, die Sie es noch nicht durch die Überschrift mitbekommen haben sollten, wahrscheinlich merken, handelt es sich um Tosca. Scarpia ist tot, was soll noch kommen??? Zumal die Regie auch nicht so super ist, wie ich aus viermaliger Erfahrung weiß.

Für die zeichnete Robert CARSEN verantwortlich. Die „Tosca“ an einen anderen Platz zu verlegen, birgt immer ein großes Risiko, gerade im ersten Akt, da sehr viel über die lokalen Gegebenheiten kommuniziert wird (Kapelle, etc.). Carsen verlegte die Handlung in ein Theater, an deren Wand der Maler Cavaradossi (in einem historischen Theater kann man einen Maler akzeptieren) sein Bild der Maria Magdalena vervollständigt. Das tut er auf einer verschiebbaren Leiter, die Scarpia später zum Auftritt zwischen den zwei großen Stelen im hinteren Teil der Bühne dient.

Die Personenregie fällt reichlich konventionell aus. Zu Beginn des zweiten Aktes, der nunmehr, wie es sich gehört, im Zimmer des Polizeichefs spielt, fällt ein überlebensgroßer Holzhammer auf das augenscheinlich amüsierte Auditorium. In großen roten Lettern steht „Vietato fumare“ auf der Wand, und was macht Scarpia? Richtig, er pafft genüßlich dicke Wolken in die Luft. Der zweite nicht minder große Holzhammer droht, als der Baron Toscas Bildnis zerschneidet (Symbol für „Ich vernichte sie“!). Relativ gut gelungen finde ich die Szene, in der es nun zum (für einen Partner) letalen Akt kommen soll. Beide entkleiden sich eher widerborstig, fast etwas angewidert nach dem Motto „Schatz, wollen wir jetzt Liebe machen?“ – „Na gut, wenn’s sein muß...“

Das Bühnenbild von Anthony WARD ist relativ schlicht gehalten. Seine Kostüme sind gut gelungen. Die Bonzen von Scarpia tragen schwarze Anzüge, er selbst einen Anzug mit Weste, Cavaradossi hingegen ein hellblaues Hemd, im zweiten Akt zunächst noch ein Jackett. Die Diva hätte vielleicht eine Spur glanzvoller sein können. Ich frage mich nur ernsthaft, ob das üppige „Bühnenbühnenbild“ am Ende des ersten Aktes wirklich notwendig war. Das Geld für die zehn Sekunden hätte man besser anlegen können, ohne in irgendeiner Art Abstriche in Kauf zu nehmen.

Musikalisch gab es ein Debüt zu vermelden. Inga NIELSEN, eine tolle Elsa und faszinierende Salome, sang zum ersten Mal die Tosca, was sie lieber bleiben lassen sollte. Sie hat einfach eine zu harte Stimme für das italienische Fach. Die Tatsache, daß sie fast kein Brustregister und somit eine sehr kurze, schlecht ausgebildete Tiefe hat, wurde ihr hier zum Verhängnis. Außerdem waren viele unschön gepreßte hohe Töne zu vernehmen. Im Übrigen konnte Nielsen auch darstellerisch nicht überzeugen. Sie ist einfach zu nett, ja, zu sympathisch für eine Diva.

Ihr Cavaradossi war bei Gabriel SADÉ auch nicht gerade in den besten Händen. Er sang alles in einem Einheitsforte und stemmte die meisten Spitzentöne unschön in die Höhe, so daß man so einige Male zusammenzuckte, z. B. bei seinen „Vittoria“-Rufen. Dazu kam, daß er insgesamt sehr kurzatmig sang und rhythmisch nicht immer sicher war, obwohl er sich stets bemühte, das zu sein, so daß eine gewisse Statik in seinen Vortrag eintrat. Ach ja, wenn Ihnen der Name bekannt vorkommt: Sadé ist amtierender „Sänger des Jahres“ der Zeitschrift „Opernwelt“...

Als Scarpia konnte sich Robert HALE von seinem mißlungenen König Philipp („Don Carlos“) rehabilitieren. Trotz seines Alters (66) verfügt er über eine ziemliche Durchschlagskraft, die es ihm sogar ermöglicht, im Te deum über den Chor und das Orchester zu kommen. Kurioserweise bewegte er zum ersten „Va, Tosca“ nur die Lippen. Im zweiten Akt konnte er dann auftrumpfen und stellte einen bösen Charakter auf die Bühne, der mir manchmal einen Hauch zu vordergründig war. Eine leichte Härte beim Tonansatz und eine etwas raue Stimme seien der Vollständigkeit halber erwähnt.

Bei den Comprimarii standen zwei altgediente Ensemblemitglieder zwei jungen Opernstudiomitglieder gegenüber. Dieter WELLER als Angelotti zeigte mit schlechtem Italienisch und eher rezitativischem Vortrag, wie man es nicht machen sollte, Carl SCHULTZ wies als Mesner erstaunliche mimische Ähnlichkeiten mit Freddie Frinton auf, gesanglich blieb er blaß, und etwas Unterricht in Diktion könnte ihm nicht schaden. Michael SMALLWOOD (Spoletta) und Moritz GOGG (Sciarrone) komplettierten die Sängerriege der ersten beiden Akte. Wie Katja PIEWECK den Hirten sang, kann ich aus wohl verständlichen Gründen leider nicht sagen.

Alexander DRCAR am Pult des PHILHARMONISCHEN STAATSORCHESTERS leitete routiniert die Aufführung für den erkrankten Lawrence Renes. Man hat das Werk hier allerdings schon wesentlich besser gehört. Der CHOR unter Florian CSIZMADIA und die HAMBURGER ALSTERSPATZEN unter Jürgen LUHN fielen nicht groß aus der Reihe. Wolfgang Schmoller