oder:
Ein konzertantes Puzzleoratorium mit Opernhituntermalung und Kostümen
„Monument“
stammt aus dem Lateinischen und heißt so viel wie Denkmal. Betrachtet
man nun Monument als Ursprung für das Adjektiv „monumental“, also dem
sehr populären Attribut für Verdis Oper Nabucco, muss man feststellen,
daß dem Regisseur Günter ROTH mit seiner Produktion dieser Oper für die
„Loreley Klassik“ ein wahres Meisterwerk gelungen ist. Ein Denkmal zeichnet
sich ja meistens dadurch aus, daß es GROß und UNBEWEGLICH ist. Und das
trifft auf seine Inszenierung vollkommen zu.
Groß,
weil die Veranstaltung in der neu gebauten Hamburger Color Line Arena
stattfand, die an dem Abend etwa 7000 Menschen faßte. Unbeweglich, weil
ca. achtzig Prozent der Zeit in der Gegend rumgestanden wurde, die restlichen
zwanzig Prozent, in denen Bewegung zu erkennen war, verteilten sich auf
Auftritte, Bühnenumbauten und gelegentliche Anflüge von dem Wissen darum,
was gerade geschieht. Man erschrak geradezu, wenn sich jemand bewegte.
Das Bühnenbild würde ich durchaus als praktikabel bezeichnen, aber es
wäre toll gewesen, wenn es fähige Bühnenarbeiter gegeben hätte, die gewußt
hätten, wie sie die verschiebbaren Wände denn nun hinstellen müssen, damit
auch die richtige Seite nach vorne zeigt. Es dauerte immer ewig, bis alles
so stand, wie es stehen sollte. Ansonsten war die Kulisse, die von Christina
ALAIMO entworfen wurde, nicht wirklich idiomatisch oder ausdrucksvoll,
es wirkte aufgemalt. Die Kostüme, die vom Mecklenburgischen Staatstheater
Schwerin gestellt wurden, waren da schon zeitgemäßer.
Walter
DONATI wurde im Vorfeld von Lothar FRITSCH (künstlerischer Leiter der
Loreley Klassik und Oberpriester) in einem Zeitungsartikel mit dem Attribut
„bester derzeitiger Nabucco“ belegt. Dem kann ich nur vehement widersprechen,
schon weil ich mit dieser Art Superlative meine Probleme habe. Er hat
sicherlich nicht die schlechteste Stimme, und technisch ist er der Partie
auch gewachsen, aber sonst ließ er doch ein gehöriges Maß an Italianita
vermissen, er klang eher nach „Donath“, als nach „Donati“. Ein recht gelungenes
„Dio di Giuda“ konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine echte Rollenidentifikation
nicht bestand.
Antonella
BANAUDI versuchte sich an der Abigaille. Sieht man von einer nicht vorhandenen
Technik und vielen daraus resultierenden Noten, die heute noch darauf
warten, gesungen zu werden, einem nicht existenten dramatischen Ausdruck
(von einem diesbezüglichen Potential ganz zu schweigen), einer häßlichen
Stimme, für dessen nähere Beschreibung mir die pathologischen Fachbegriffe
fehlen, und einem noch häßlicheren, dazu noch kaum zu vernehmenden, Quartpassagio
ab, gilt es festzustellen, daß sie sich auch interpretatorisch verirrte
und zwar in die sanftesten Adagio-Regionen Mozarts (weiß sie, was sie
singt???). Sie war nur halbwegs zu ertragen, wenn es lyrischer wurde.
Aufatmen
konnte man bei Alexander TELIGA, der anstelle des auf dem einen Plakat,
das ich sah, angekündigten Kurt Rydl den Zaccaria sang, dessen organisatorische
Fähigkeiten nicht ausreichten sowohl einem zweiten Jägersburschen in etwa
800 Kilometern Entfernung illegale Hilfe bei der Brautwerbung zu leisten,
als auch gleichzeitig noch einem Volk Hoffnung zu geben und Geiseln zu
halten. Nach dem, was ich von Rydl kenne, war das auch kein allzu großer
Verlust. Teliga wartete mit einem rundum schöntimbrierten profunden Bass
auf, dem die Anforderungen der Partie keinerlei Probleme bereiteten. Traurig,
daß seine Cavatine im ersten Akt einstrophig blieb. Leider fiel er im
Verlauf der Vorstellung etwas ab.
Salvatore
RAGONESE (Ismaele) ließ einen eher durchschnittlichen Tenor vernehmen,
war ansonsten recht solide und meisterte die Rolle mit Anstand. Seine
Fenena (Krisztina NEMETH) konnte da nicht mithalten. Im ersten Akt hörte
man doch deutlich stimmliche Probleme. Ihre Arie im letzten ist ja nicht
die schwierigste.
Bei
den kleineren Partien fiel v.a. Anton KUHN als Abdallo positiv auf. Zudem
waren er und Teliga die einzigen, die halbwegs Ausstrahlung hatten. Gerty
ARRAS’ Anna blieb weitestgehend ungehört. Lothar Fritsch versuchte sich
scheiternder Weise am Oberpriester (was will man auch von jemandem erwarten,
der Donati als besten Nabucco bezeichnet und Banaudi als Abigaille engagiert?).
Kurios
war die Tatsache, dass man bei einigen Sängern deutlich hörte, daß sie
elektronisch verstärkt wurden, während es bei anderen gar nicht auffiel.
Es hätte allerdings nichts geschadet hätte, wenn das eine oder andere
Mikrophon kaputt gewesen wäre.
Ein
großes Lob gilt an dieser Stelle den HAMBURGER SYMPHONIKERN, die trotz
Helge DORSCHs kryptischer Schlagtechnik doch größtenteils irgendwie immer
zusammenblieben. Dennoch tönte es reichlich verwaschen und äußerst akzentfrei
durch die Halle (lag vielleicht auch etwas an den Boxen). Es war alles
wie ein Brei. Dorsch ließ es komplett vermissen, Dramatik aufkommen zu
lassen, geschweige denn Brio, Ausdruck oder ähnliche Nichtigkeiten. An
Tempi kennt er exakt zwei: hetzen und schleichen. Dazwischen gibt es nichts,
noch nicht einmal Übergänge.
Grauenvoll
war der CHOR DER LORELEY-FESTSPIELE (scheinbar ohne Leitung), dem das
Vibrato wohl noch nicht beigebracht wurde, ebenso wenig wie die Tatsache,
daß es nicht gut ist, wenn man fast über jedes einzelne Mitglied eine
Kritik schreiben könnte, die im übrigen nicht gut ausfallen würde. Ich
hatte häufig das Gefühl, daß ich mich in einem Barockoratorium befinde
und nicht in einer Verdi-Oper. Wolfgang Schmoller
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