Es
war einer dieser Abende, die in Hamburg inzwischen leider Seltenheitswert
errungen haben; eine Repertoirevorstellung mit gut aufeinanderabgestimmten
Ensemble ohne Ausfälle.
Die
nunmehr fast sechsundzwanzig Jahre alte Produktion von Gilbert DEFLO in
der Ausstattung von Ezio FRIGERIO ist unverwüstlich und macht es den Sängern
leicht, sich frei zu entfalten, da niemandem irgendwelche Mätzchen abverlangt
werden. Es hängt vom Temperament der Sänger ab, ob ein Abend ein Erfolg
wird, und an diesem Abend wurde es einer. Es stand ein verhältnismäßig
junges Ensemble auf der Bühne, das sich durch besondere Spielfreudigkeit
auszeichnete.
Als
Figaro war das neue Ensemblemitglied George PETEAN zu hören. Er hat eine
Baritonstimme, die schon über das Rossini-Fach hinausweist, besitzt aber
noch die notwendige Geläufigkeit für die Partie. In der Höhe waren einige
ganz leicht angestrengte Töne zu hören; diese taten dem positiven Eindruck
keinen Abbruch, der Sänger sollte dies aber im Auge behalten. Yvi JÄNICKE
(Rosina) wird häufig in mittleren Rollen eingesetzt. Hier konnte sie beweisen,
daß sie damit unter Wert verkauft wird. Ihr Mezzo ist klar, dabei aber
immer noch warm und der Rolle absolut gewachsen. Bei den Höhen könnte
etwas mehr Selbstvertrauen nicht schaden, denn sie sind ja da. Besonders
im Zusammenspiel mit Figaro war sie sehr lebendig.
Almaviva
Bruce FOWLER nennt einen sehr angenehm timbrierten Tenor sein Eigen, den
er geschickt einsetzt. Liegt ihm eine Passage nicht perfekt in der Stimme,
kann er dies sehr gut kaschieren. Sehr amüsant war er in der Musikstunde
mit Brille und einem leichten S-Fehler. Renato GIROLAMI (als Bartolo in
Maske und Haltung, die ihn doppelt so alt, wie er sein dürfte erscheinen
ließen) bot eine Lehrstunde im parlando. Mit tatkräftiger Unterstützung
des Dirigenten dürfte seine Arie die schnellste gewesen sein, die ich
je live gehört habe.
Paata
BURCHULADZE (Basilio) hat für mich in der Vergangenheit häufig das Problem
gehabt, daß er seine Riesenröhre nicht dazu bringen konnte, auf Linie
zu singen. An diesem Abend gelang es ihm jedoch. Auch fügte er sich nahtlos
in das restliche Ensemble ein, ohne es zu dominieren, und bot eine köstliche
Studie des geldgierigen Musiklehrers. Als Fiorillo und Berta ergänzten
Moritz GOGG und Katja PIEWECK mit klaren, frischen Stimmen. Einzig der
Offizier von Harro BRODERSEN klang ausgesungen.
Im
Graben jagte Alessandro DE MARCHI durch die Partitur mit teilweise halsbrecherischen
Tempi - aber sowohl Sänger als auch das ORCHESTER waren durch die Bank
in der Lage, dieses Höllentempo mitzugehen, ohne daß es zu Koordinationsproblemen
kam. Das machte den Abend auch musikalisch sehr spannend, da es nochmals
verdeutlichte, daß die Ereignisse ja innerhalb kürzester Zeit vonstatten
gehen.. Zudem leistete sich das Orchester keinerlei Verspieler, sondern
wirkte hochkonzentriert, und auch der CHOR erledigte seine nicht allzu
große Aufgabe anständig. MK
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