"MESSA DA REQUIEM" - 28. September 2002

Verdis Requiem wurde an diesem Abend im Michel, dem Hamburger Wahrzeichen aufgeführt. Ein wenig Brisanz kam hinzu dadurch, daß der CARL-PHILIPP-EMANUEL-BACH-CHOR HAMBURG, der frühere St. Michaelis-Chor, der vor vier Jahren im Streit um die Besetzung des Chorleiters von der Gemeinde schied, an den Platz ihres früheren Wirkens zurückkehrte.

Der Chor entwickelte einen schlanken Klang, nicht so üppig, wie es manchmal bei italienischen Chören zu hören ist. Ich bin geneigt, die Version von Dirigent Michael SCHÖNHEIT eine "protestantische" Interpretation von Verdis Totenmesse zu nennen. Das Stück klang an diesem Abend tatsächlich wie Kirchenmusik, wesentlich weniger opernhaft-südländisch, als man es häufig hört. Eine interessante Interpretation, zumal wenn sie so perfekt dargeboten wird wie von diesem Chor, der ein wirkliches Ganzes bildete, wo keine Stimme herausfiel.

Weniger positiv war es um das PHILHARMONISCHE STAATSORCHESTER HALLE bestellt, welches gerade im Blech, aber durchaus auch bei den Holzbläsern einige Patzer hören ließ, was bei der Akustik (jeder Ton klingt noch Sekunden später nach) noch besonders auffällig ist.

Claude PIA ist mit dem Tenor-Part (noch) überfordert. Er nennt einen schöntimbrierten lyrischen Tenor sein Eigen, den er jedoch an einigen Stellen forcieren muß (Schluß des "Ingemisco"). Der Versuch, genügend Kraft zu entwickeln, geht auf Kosten des Klanges, die Stimme verliert an diesen Stellen die Farbe. Robert HOLL singt nach seinen Wagnerrollen erstaunlich kultiviert. Er hatte es nicht nötig loszudonnern, sondern kostete jede Phrasierung, jedes Piano genüßlich aus.

Für die erkrankte Lioba Braun sprang Elisabetta FIORILLO ein und bewies wieder einmal, daß sie einer der führenden Verdi-Mezzosoprane der heutigen Opernwelt ist. Mit einer profunden Tiefe, edeltimbrierter Stimme sowie sicherer Höhe kann sie sich ganz auf den Ausdruck konzentrieren. Zudem mischte sich die Stimme besonders schön mit jener von Michèle CRIDER, die den Zuhöreratem mit fein gesponnenen Piani zum Stocken brachte. Die wenigen, in forte-Höhen vernehmbaren Schärfen fallen kaum ins Gewicht. Faszinierend zu beobachten war, wie sich im "Libera me" der Text auch in ihrer ganzen Haltung und Mimik wiederspiegelte, während ihr stimmliches Flehen, da unwiderstehlich, sicherlich zur Seelenrettung erhebliches beigetragen hat. MK