Das
Hamburger Musikfest mit seinem diesjährigen Motto "Bekenntnisse" liefert
auch den Rahmen für die Spielzeiteröffnung an der Staatsoper. Denn was
könnte ein größeres Bekenntnis sein, als die "wahre Geschichte"?
Nur
daß bei Berio die Geschichte nicht wirklich eine Geschichte ist, und was
ist schon Wahrheit? Im ersten Teil gibt es die Erzählung allerdings noch
in Form eines klassischen Motivs: zwei verfeindete Brüder streiten sich
um eine Frau, der eine bringt den anderen im Zweikampf um. Im zweiten
Teil gibt es dann den Text (Libretto: Italo Calvino) in verwirbelten Bruchstücken
gleich noch einmal, was ist nun die Wahrheit?
Luciano
Berio schrieb die Oper 1981 für die Mailänder Scala. Die deutsche Erstaufführung
2002 in Hamburg hat man dem Regisseur Henning BROCKHAUS überlassen. Leider,
denn statt sich den Zweifeln und dem fast philosophischen Text anzunehmen,
stellt Brockhaus einen italienischen Marktplatz in schwarz-weiß auf die
Bühne (Ezio TOFFOLUTTI), dessen Häuser zwar beweglich sind, und damit
wohl die Unsicherheiten der Geschichte ausdrücken sollen, der aber der
Phantasie keinerlei Raum läßt. Auf diesem Platz finden die Kämpfe statt.
Der zwischen den Brüdern und immer wieder die zwischen Militär und Zivilbevölkerung.
Mehr scheint dem Regisseur nicht eingefallen zu sein, als den in Gruppen
choreographierten Chor von rechts nach links und von links nach rechts
kämpfen zu lassen. Selbst beim Trio der jungen Frau mit den beiden Brüdern,
werden die drei auf Fassadenteilen hin und her gerollt. Natürlich ist
das ein Symbol für die Fremdbestimmtheit der Figuren, aber solche Symbole
immer nur wieder aneinander zu reihen...
Das
trägt auch dann keine zwei Stunden, wenn die Widmungsträgerin der Oper
MILVA die Erzählerrolle, voller folkloristischer Chansons, mit viel italienischem
Esprit und Bühnenpräsenz erfüllt. Auch an den anderen Sängern kann es
nicht liegen. Sowohl Helen KWON als umworbene Frau, wie Paul LYON, Ashley
HOLLAND oder Andreas HÖRL singen ihre Partien mit großem Einsatz. Ebenso
Ingo METZMACHER, der das PHILHARMONISCHE STAATSORCHESTER sicher und schwungvoll
dirigiert. Sie alle können allerdings die Statik der Inszenierung nicht
vergessen machen.
Das
ist ärgerlich. Denn wie schon seinerzeit Nonos "Al gran sole" in der Regie
von Travis Preston kaputt inszeniert wurde, so schadet auch hier die schnell
aufkommende Langeweile der an sich abwechslungsreichen und vitalen Musik
Berios. Vielleicht hätte sich in diesem Fall der Haus- und Hofregisseur
Peter Konwitschny der Sache annehmen sollen. Er, der nicht fanatisch an
alten verstaubten Oberflächen klebt, hätte hier vielleicht die Geschichte
in der Geschichte gefunden. Kerstin Schröder
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