Alles
ist dunkel, keine Hand regt sich zum Beklatschen des Auftritts des unscheinbar
hereingetretenen Dirigenten. Zärtlich drohend setzen die Blechbläser ein,
und langsam aber sicher wird es hell im Orchestergraben. Das klingt doch
vielversprechend, bleibt aber in meinen Augen der beste Moment in dem
Freischütz, den Peter KONWITSCHNY 1999 inszenierte. Während der Ouvertüre
rast ein Fahrstuhl, der sich links vor dem Vorhang befindet, vom 7. Stock
(resp. dem siebten Himmel) runter zu W wie z.B. Wolfsschlucht. Dann jedoch
öffnet sich der Vorhang. Das Augenmerk fällt auf einen Bühnenraum (Gabriele
KOERBL) bar jeglicher Requisiten.
Nach
oben hin läßt sich durch eine Öffnung, die an Poutneys Züricher "Macbeth"
erinnert, den Mond betrachten Der Chor und Kilian verspotten Max in einer
Art Choreographie. Ob all des Spotts, geht dieser sogar auf die Bauernkapelle
los. Ein recht gelungener Einfall ist der, daß Samiel es ist, der die
Frage nach dem Probeschuß stellt, quasi als Strippenzieher des Ganzen.
Seine Kleidung mit Handtuch und Aktentasche weniger.
In
Agathes Haus gibt es einen Tisch, an und auf dem Ännchen mit einer Frauenzeitschrift
den schlanken Bursch' besingt. Während Agathes Arie fährt ein großen Vorhang
herunter, der auf Grund des Fensters auf eine Hauswand schließen läßt.
Die für mich undurchsichtigste Szene ist die in der Wolfsschlucht. Samiel
sitzt in seinem Ohrensessel und kommuniziert mit Caspar via Monitor. Wenn
dieser die Freikugeln gießt, fallen der Eule, die auf dem Fernseher sitzt,
immer mal wieder Körperteile ab, später sogar fällt die ganze Eule herunter.
Das sorgt für Gelächter im Publikum, trägt aber nicht wirklich zum Verständnis
bei. Der Schluß dieser Szene ist total konfus. Der Mond geht kaputt, auf
der Treppe, die in Agathas Haus schon zu sehen war, stehen nun vier Menschen,
die Hand zum militärischen Gruß am Kopf, und zu guter Letzt kippt die
Pendeluhr um und tickt laut, so laut, daß man auch noch in der Pause davon
belästigt wird. Vor dem berühmten Jägerchor tritt Samiel vor den Vorhang
und rezitiert den Text, samt allen Tralalas, was angesichts der Tatsache,
daß seltsam anmutende Operntexte eines der mannigfaltigen Klischees darstellen,
eher sinnlos ist.
Der
folgende Gesang desselben zählt mit zu den mit unverständlichsten Szenen.
Der Chor singt aus dem Off, die Damen liegen in drei Reihen auf dem Boden,
und ein Wolf mit überlanger hängender Zunge rennt zu einer, die ihr Bein
hebt. Auch den Auftritt des Eremiten kann ein Peter Konwitschny nicht
normal ablaufen lassen, er (der Eremit) sitzt im Publikum, jubelt Ännchen
nach ihrer Arie zu, samt fliegendem Blumenstrauß, und versucht gestikulierend
die Geschicke auf der Bühne zu lenken, was ihm aber nicht gelingt. Nach
dem Schießen, fällt der Vorhang, und der Eremit erhebt sich. Ottokar schaut
verwirrt und hält Rücksprache mit der Inspizientin, die entnervt aufgibt.
Er kann seine Arie singen und auch noch seine goldenen Visitenkarten verteilen.
Die
Kostüme von Gabriele KOERBL erinnern bei den Männern stark an Konwitschnys
"Lohengrin". Sie tragen kurze Hosen in grüner Farbe und Jägerhüte. Die
Damen sind in knallig bunte Kleider eingehüllt, Ännchen und Agathe in
schneeweiße.
Fazit:
Das Publikum fand's lustig, ich habe das meiste nicht verstanden, was
vielleicht auch daran liegt, daß es eine Sozialkritik an einem Regime
sein soll, das nicht mehr existiert, und das ich nur als Kind "erlebte":
der DDR. Es ist eine "Kopie" vom Theater Altenburg von vor zwanzig Jahren.
Aber
es gab ja auch noch die musikalische Seite. Da überzeugte Danielle HALBWACHS
als Agathe, die ein rollendeckendes Portrait zeichnete. Das einzige was
mich an ihr störte war, daß ihre Stimme im piano zum Flackern neigt, sie
somit nie eine wirkliche Ruhe bei den leisen Passagen einbringt. Ihr Ännchen
war bei Sabine RITTERBUSCH in besten Händen. Sie gibt ein in jeder Hinsicht
quirliges "junges Ding", sei es im sängerischen, sei es im szenischen
Singen und Spielen.
Robert
GAMBILL ist ein rollenspezifisch problematischer Fall. Für mein Verständnis
ist seine Stimme zu schwer für die Partie des Max. Es fehlt ein wenig
die Leichtigkeit, der Lyrismus in seinem Singen, trotzdem weder seine
Technik noch die Spitzentöne zu wünschen übrig lassen. Na, ja, er kommt
ja auch von Mozart und Rossini. Aber er war in jedem Fall besser, als
der ausgesungene Poul Elming, der die Partie vor ihm sang. Ich denke,
daß man auf Gambills "Tannhäuser" gespannt sein darf.
Sein
Widersacher Caspar wurde von Albert DOHMEN mit mächtiger Stimme gesungen.
Er schaffte es, den bösen Charakter glaubhaft auf die Bühne zu bringen.
Er verfügt über die profunde, durchschlagskräftige, bassige Tiefe, die
für diese Rolle unabdingbar ist. Lediglich die gerollten R's in den Dialogen
und die zahlreichen Umlaute, v.a. bei seinem "Schweig, damit dich niemand
hört" und im Finale, die z.B. einen "Triümpf"-Ruf schufen, waren etwas
enervierend.
Dieter
WELLERs Cuno gefiel in erster Linie in seiner Erzählung, also da, wo er
nur zu sprechen hatte, blieb ansonsten unauffällig. Wolfgang RAUCH nervte
als Ottokar weniger, als man es sonst von ihm kennt, dennoch ist seine
Stimme reichlich fahl. Andreas HÖRL, der den Eremiten von dem grandiosen
Simon Yang übernahm, genoß sichtlich, daß er mal im Mittelpunkt stehen
durfte. Die Bravos für ihn rührten vermutlich nur daher, daß er soviel
zu spielen hatte, ansonsten hört man nur eine steife, langweilige Stimme.
Jan BUCHWALD machte seinen Kilian mit Anstand, ohne wirklich aufzufallen.
Frieder
STRICKER war zum ersten Mal als Samiel zu sehen. Er ist jedenfalls ein
besserer Schauspieler, als er ein Sänger ist, obwohl er auch in ersterem
nicht so überzeugt. Die Brautjungfern (Birgit BRÜNING, Sabine NOLDE, Heike
LIMMER und Gisela WEINTRITT) klangen allesamt gleich quietschig.
Ingo
METZMACHER schuf mit seinem PHILHARMONISCHEN STAATSORCHESTER einen kammermusikalischen
Klang. Das Vorspiel zum zweiten Akt lief zwar manchmal etwas auseinander,
dafür war der Walzer reif für das Wiener Neujahrskonzert. Von der Wolfsschlucht
hätte man aber doch ein bisschen mehr Abgründigkeit erwartet. Der CHOR
unter Florian CSIZMADIA hatte einen rabenschwarzen Tag. Kaum ein Einsatz
kam zusammen hin. So wirkte das Lachen der Frauen im ersten Akt wie synkopisches
Keifen.
Wolfgang
Schmoller
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