Große
Namen sind selten zu finden im Spielplan der Hamburgischen Staatsoper,
doch genau die waren für die erste Serie von "Un Ballo in Maschera" angekündigt:
Ramon Vargas als Schwedenkönig, doch es kam alles anders, außerdem sollte
Giorgio Zancanaro noch einmal zwei Vorstellungen als Renato übernehmen.
Dazu später mehr.
Alexander
SCHULINs Produktion von vorletzter Saison wurde vermutlich etwas überarbeitet,
was ihr gut tat. Gustavo fummelt nun nicht mehr so aufdringlich an Oscar
herum und versperrt nicht mehr die Sicht auf Amelia und Ulrica während
ihrem Duett. Zum Brüllen komisch ist nun der Tanz der Verschwörer. Dennoch
ist die Inszenierung alles andere als gelungen. Immer noch frage ich mich,
was die Balken in der Richtplatzszene zu bedeuten haben. Jedenfalls darf
Amelia wohl nicht den Fußboden berühren. Gustavos Thron ist ein billiger
Stuhl an einem königlich-schlicht gehaltenen Tapeziertisch, an dem er
mit seinem eher durchschnittlichen, glanzlosen Mantel, der sich im übrigen
mit dem schwarzen Umhang, den er von Oscar bekommt, beißt (Kostüme: Moidele
BICKEL). Sein Schreibtisch dient, in duplizierter Form, der Zauberin zu
ihren Riten. Sehr prachtvoll und festlich wirkt es auch, wenn die Gäste
fröhlich ihren Spaß besingen und steif rumstehen. Richard PEDUZZI fand
ein schönes, nahezu aristokratisches Grau für die mobilen Wände.
Alberto
CUPIDO, der sich am 10. am Gustavo verging, scheint sein Studium genau
an der Stelle abgebrochen zu haben, an der man das Piano lernt, bzw. daß
es noch andere dynamische Mittel als fortissimo gibt. Die meisten hohen
Töne werden angeschliffen. Für Sänger wie ihn würde ich vorschlagen, ein
extra Stimmfach einzuführen: den Brüller.
Sein
Gegner war Giorgio ZANCANARO, der Cupido darstellerisch und interpretatorisch
eine Lehrstunde erteilte. Über seinen Gesang möchte ich an dieser Stelle
diskret den Schleier des Schweigens hüllen.
Lado
ATANELI war da am 17. von einem ganz anderen Kaliber. Mit einem schönen,
vollen Verdi-Bariton sang er ein tolles "Eri tu", mit einem herrlich phrasiertem
"O dolcezze perdute". Ansonsten kam es mir manchmal vor, als würde er
sich zu sehr auf sein Instrument verlassen, ein wenig seine Routine abspulen,
was möglicherweise an der Inszenierung lag.
Die
Amelia war Iano TAMAR, die die Premierenserie schwangerschaftsbedingt
absagte. Sie setzte ihre ganze Palette an vokalen Farben ein und brachte
die Figur der unschuldig für schuldig erklärten Gattin glaubhaft und intensiv
auf die Bühne. In der zweiten Vorstellung hatte ich zunächst das Gefühl
einer minimalen Indisposition, aber das gab sich mit der Zeit.
Eugenie
GRUNEWALD sang sich souverän durch die Rolle der Ulrica. Leider hat sie
das, was viele ihrer Rollenkolleginnen vorweisen: einen Bruch zwischen
der unteren und der mittleren Lage. Auch wunderte ich mich (in der ersten
Aufführung mehr als in der zweiten), wie viele Register eine Stimme doch
haben kann. Zudem fehlt ihrem vollen Mezzo etwas das dämonische Element.
Inga
KALNA brillierte in der kleinen Partie des Oscar. Die Koloraturen und
Triller bereiteten ihrer kleinen, aber feinen Stimme keinerlei Probleme,
mehr jedoch die hohen Töne, die teils scharf klangen.
Kommen
wir nun aber zum angekündigten Höhepunkt des Abends, ja ich würde sagen
der Saison: zum Auftritt von Ramon Vargas! Der fand nicht statt, weil
er "kurzfristig", sprich 2 1/2 Wochen vorher, aus "persönlichen Gründen"
(Zitat offizielle Pressemitteilung), die wohl eher temporär waren, weil
er drei Tage später diese Rolle in München sang, absagte.
Einen
wirklichen Ersatz gab es nicht. Dafür hatte ich das extrem zweifelhafte
Vergnügen, Stephen O'MARA zu erleben, der den Gustavo schon letzte Saison
hier sang. Er orientierte sich in seiner Darstellung doch sehr an der
historischen Figur. Erhielt er nach seiner Kavatine in der Ulrica-Szene
keinen Applaus, kassierte er nach der Arie im dritten Akt sogar Buh-Rufe,
denn was da aus seiner Kehle drang, ist eher ein Fall für einen Mediziner
als für ein Opernhaus. Selten hört man solche kehligen Laute, was sich
im piano noch potenzierte, und seine Interpretation unweigerlich ins weinerliche
verlagerte. Da halfen ihm auch keine bewußt länger gehaltenen Töne im
Anschluß, die eher hilflos wirkten. Im übrigen sollte ihm mal jemand erklären,
daß er am Schluß stirbt, damit er nicht wie ein Betrunkener in der Gegend
umherirrt. Sicherlich sind einige Mißfallensbekundungen auch gegen die
Intendanz gerichtet, aber wenn in Hamburg ein Sänger ausgebuht wird, muß
er schon sehr schlecht sein. Jedenfalls habe ich mich sehr amüsiert...
Moritz
GOGG als Christiano ließ einen netten Bariton vernehmen, Alexander TSYMBALYUK
(Horn) bewies, daß man auch als Nebenrolle, eine Nebenrolle (Andreas HÖRL,
Ribbing) gegen die Wand singen kann. Dirk SCHMITZ als Richter ist unter
"ferner liefen" einzuordnen, ebenso wie Jürgen OHNEISER und Joo-Hyun LIM,
die sich den Diener teilten.
Stefan
SOLTESZ ließ das PHILHARMONISCHE STAATSORCHESTER HAMBURG lauter richtige,
häufig zu laute Töne spielen, was zur Folge hatte, daß Kalna nicht immer
zu hören war. Er kratzte aber nur routiniert an der Oberfläche des Werks.
Florian CSIZMADIA hat als neuer Chorleiter bis jetzt noch keine Wunder
vollbracht. Im CHOR wurde ebenfalls Routine abgespult.
Wolfgang Schmoller
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