"DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG" - 3. November 2002

Mit dem Namen Peter KONWITSCHNY assoziiert man eigentlich modernes, häufig intelligentes Regietheater, unkonventionelle Orte der Handlung und vor allem einen Skandal. Doch was man bei der Premiere der "Meistersinger" zu sehen bekam, war zum größten Teil arg konventionell. Das Geschehen trägt sich hauptsächlich auf einer kleinen Bühne zu, die von allen vier Seiten mit kleinen Treppen begehbar ist. Im ersten Akt zieren hohe schmale Gemälde die Ecken. Im zweiten umrahmt ein Bild vom alten Nürnberg die hinteren Seiten, an einem Tisch (einem der wenigen Accessoires) verrichtet Sachs seine Arbeit. Ein kleines Fenster in der Ecke rechts oben, ermöglicht Magdalene, Beckmessers Ständchen zu empfangen.

Bei der Prügelszene wird das Bild abgerissen und durch Rauch sowie rot flackerndes Licht der Eindruck eines Brandes erweckt. Im dritten Akt nun sehen wir das Luftbild des zerstörten Nürnbergs. Das wird gegen Ende der Szene heruntergelassen und von den Protagonisten abgenommen. Nun erhebt sich der "Backstage"-Vorhang und gibt den Blick auf eine Art Urwald preis. Zahlreiche Gruppen zeigen nun ihre traditionellen Tänze etc. Die Bühnenmusiker ähneln japanischen Kamikaze-Fliegern mit ihren rot-punktierten Kopfbinden. Bei dem Einzug der Gäste auf der Festwiese kommen zahlreiche Gestalten aus der wagnerschen Mythologie wie z.B. Wotan (ohne Gattin, dafür mit Speer), Lohengrin, der seinen Schwan streichelt und und und...

Dann jedoch kommt es zum Eklat (nicht vergessen, es ist eine Konwitschny-Inszenierung). Bei Sachs' Beschwörung der deutschen Tugenden seiner Schlußansprache wird er von den Meistersingern jäh unterbrochen: "Wolfgang [Schöne], wie kannst du das nur singen?!" Es folgt eine (wohlgemerkt inszenierte) Debatte über das alte leidige Thema, die sich ziemlich streckt und dem Publikum gar nicht gefällt, das sein Mißfallen ausdrückt ("Weitersingen!", "Konwitschny Oberlehrer",...). Es zeigte Wirkung, Ingo METZMACHER übersprang den Rest und ließ weiterspielen (ich hätte ein da capo besser gefunden). Ob man diesen Einschub nun unbedingt machen muß, darüber kann und wird man streiten. Ich finde es als Gag eigentlich ganz originell, aber es zieht sich doch sehr in die Länge, reißt das Stück auseinander (und bringt vor allem keine neuen Aspekte, nur altbekanntes), so daß es schnell zu nerven beginnt, wozu auch das neunmalkluge Gerede beiträgt, das wirklich extrem holzhammer-oberlehrerhaft wirkt. Man hätte das ganze auf einen kleinen Disput reduzieren sollen. Da sich die Buhrufe mit Sicherheit zum großen Teil auf diese Verfehlung bezogen, möchte ich hier gerne einmal die Frage in den Raum stellen: Kann man eine Inszenierung wegen eines 2-3-minütigen Fauxpas echt so ausbuhen? Gibt es nicht noch andere Gesichtspunkte, die eine Regie ausmachen???

Zur Personenführung und der Inszenierung an sich läßt sich eigentlich nicht viel sagen. Es ist alles sehr konventionell. Es fehlen die prickelnden Einfälle, die Symbolik, die man eigentlich von diesem Regisseur gewohnt ist (z.B. im "Lohengrin"). Es gibt (mit Ausnahme der letzten Szene) keine einprägsamen Bilder. Immerhin schafft er es, die Oper nicht als Posse zu präsentieren. Johannes LEIACKER, der auch für das Bühnenbild verantwortlich zeichnet, entwarf die Kostüme. Die Meister sind in grünen Loden gekleidet (sie sehen alle mehr oder weniger wie Wagner aus), und Stolzing fällt durch seine dürersche Haarpracht auf. Ansonsten sind die Kleidungsstücke der Inszenierung angemessen.

In der Rolle des Hans Sachs war Wolfgang SCHÖNE bei seinem Rollendebüt zu hören, der sich auf Grund eines grippalen Infektes entschuldigen ließ. Er machte seine Sache ordentlich. Alle Töne waren da, aber es fehlte das gewisse Etwas. Er hatte einen gewaltigen Einbruch, als er seine unterbrochene Schlussansprache fortsetzte. Da war seine ohnehin nicht sonderlich große Stimme fast gar nicht mehr zu hören.

Der Beckmesser war mit Hans Joachim KETELSEN hervorragend besetzt. Er macht aus der Rolle nicht einen selbstmitleidsschwangeren Trottel, sondern hielt immer die falstaffleske Waage zwischen Komik und Ernst.

John TRELEAVEN in der Rolle des Stolzing bewältigte die Partie mit Anstand. Leider singt er insgesamt mit sehr viel Druck auf der eher kleinen Stimme, so daß gerade das Preislied wenig differenziert erklingt. Dennoch versteht er sich darauf, schön zu phrasieren und auch die Spitzentöne kamen tadellos. Auch wenn es bessere Rollenvertreter geben mag, fand ich die Buhrufe für ihn am Schluss nicht gerechtfertigt.

Ein doppeltes Debüt gab es für Anja HARTEROS, die mit ihrer ersten Eva das erste Mal an der Staatsoper zu Gast war. An ihrem Vortrag gibt es nichts auszusetzen. Sie hat eine schöne Stimme, ist höhensicher und kann auch darstellerisch überzeugen, allerdings ist die Partie etwas klein. Katja PIEWECKs Magdalena kann sich auch durchaus hören lassen.

Harald STAMM überzeugte als Pogner, trotzdem seine Stimme schon in die Jahre gekommen ist. Den David gab Jürgen SACHER mit einem herrlichen Charaktertenor, der leider für dieses Haus etwas zu klein ist.

Unter den Meistersingern ragte vor allem Johan REUTER als Fritz Kothner mit kernig-kraftvollem Heldenbariton heraus. Die anderen Meister waren mit Thorsten SCHARNKE (Kunz Vogelgesang), Jan BUCHWALD (Konrad Nachtigall), Frieder STRICKER (Balthasar Zorn), Michael SMALLWOOD (Ulrich Eisslinger), Peter GALLIARD (Augustin Moser), Michael VIER (Hermann Ortel), Carl SCHULTZ (Hans Schwarz) und Jörn SCHÜMANN (Hans Foltz) besetzt.

Vielleicht sollte jemand Andreas HÖRL (Nachtwächter) mal klar machen, daß seine Elchimitationen (verwegene Menschen mögen es als stimmliche Leistung bezeichnen), nichts auf einer Opernbühne verloren haben.

Am Pult des PHILHARMONISCHEN STAATSORCHESTERs waltete GMD Ingo Metzmacher, der bisher alle Konwitschny-Produktionen musikalisch betreute. Er bewies einmal mehr seine Qualitäten als Wagner-Dirigent. Es tönte ein satter, dichter Wagner-Sound aus dem Orchestergraben, gewürzt mit zupackenden Tempi. Gelegentlich kam mir das Blech zu laut vor, was aber auch an meinem Platz gelegen haben mag. Jedoch hielt er die Musiker immer zusammen und entwirrte die kontrapunktischen Knoten gekonnt. Die Buhs für ihn blieben mir schleierhaft.

Der CHOR samt EXTRA-CHOR unter Florian CSIZMADIA bewältigte die hohen Anforderungen des Werkes ohne Fehl und Tadel, sieht man mal von den partiell etwas zu frühen Einsätzen beim "Wach Auf"-Chor ab. Wolfgang Schmoller