Mit
dem Namen Peter KONWITSCHNY assoziiert man eigentlich modernes, häufig
intelligentes Regietheater, unkonventionelle Orte der Handlung und vor
allem einen Skandal. Doch was man bei der Premiere der "Meistersinger"
zu sehen bekam, war zum größten Teil arg konventionell. Das Geschehen
trägt sich hauptsächlich auf einer kleinen Bühne zu, die von allen vier
Seiten mit kleinen Treppen begehbar ist. Im ersten Akt zieren hohe schmale
Gemälde die Ecken. Im zweiten umrahmt ein Bild vom alten Nürnberg die
hinteren Seiten, an einem Tisch (einem der wenigen Accessoires) verrichtet
Sachs seine Arbeit. Ein kleines Fenster in der Ecke rechts oben, ermöglicht
Magdalene, Beckmessers Ständchen zu empfangen.
Bei
der Prügelszene wird das Bild abgerissen und durch Rauch sowie rot flackerndes
Licht der Eindruck eines Brandes erweckt. Im dritten Akt nun sehen wir
das Luftbild des zerstörten Nürnbergs. Das wird gegen Ende der Szene heruntergelassen
und von den Protagonisten abgenommen. Nun erhebt sich der "Backstage"-Vorhang
und gibt den Blick auf eine Art Urwald preis. Zahlreiche Gruppen zeigen
nun ihre traditionellen Tänze etc. Die Bühnenmusiker ähneln japanischen
Kamikaze-Fliegern mit ihren rot-punktierten Kopfbinden. Bei dem Einzug
der Gäste auf der Festwiese kommen zahlreiche Gestalten aus der wagnerschen
Mythologie wie z.B. Wotan (ohne Gattin, dafür mit Speer), Lohengrin, der
seinen Schwan streichelt und und und...
Dann
jedoch kommt es zum Eklat (nicht vergessen, es ist eine Konwitschny-Inszenierung).
Bei Sachs' Beschwörung der deutschen Tugenden seiner Schlußansprache wird
er von den Meistersingern jäh unterbrochen: "Wolfgang [Schöne], wie kannst
du das nur singen?!" Es folgt eine (wohlgemerkt inszenierte) Debatte über
das alte leidige Thema, die sich ziemlich streckt und dem Publikum gar
nicht gefällt, das sein Mißfallen ausdrückt ("Weitersingen!", "Konwitschny
Oberlehrer",...). Es zeigte Wirkung, Ingo METZMACHER übersprang den Rest
und ließ weiterspielen (ich hätte ein da capo besser gefunden). Ob man
diesen Einschub nun unbedingt machen muß, darüber kann und wird man streiten.
Ich finde es als Gag eigentlich ganz originell, aber es zieht sich doch
sehr in die Länge, reißt das Stück auseinander (und bringt vor allem keine
neuen Aspekte, nur altbekanntes), so daß es schnell zu nerven beginnt,
wozu auch das neunmalkluge Gerede beiträgt, das wirklich extrem holzhammer-oberlehrerhaft
wirkt. Man hätte das ganze auf einen kleinen Disput reduzieren sollen.
Da sich die Buhrufe mit Sicherheit zum großen Teil auf diese Verfehlung
bezogen, möchte ich hier gerne einmal die Frage in den Raum stellen: Kann
man eine Inszenierung wegen eines 2-3-minütigen Fauxpas echt so ausbuhen?
Gibt es nicht noch andere Gesichtspunkte, die eine Regie ausmachen???
Zur
Personenführung und der Inszenierung an sich läßt sich eigentlich nicht
viel sagen. Es ist alles sehr konventionell. Es fehlen die prickelnden
Einfälle, die Symbolik, die man eigentlich von diesem Regisseur gewohnt
ist (z.B. im "Lohengrin"). Es gibt (mit Ausnahme der letzten Szene) keine
einprägsamen Bilder. Immerhin schafft er es, die Oper nicht als Posse
zu präsentieren. Johannes LEIACKER, der auch für das Bühnenbild verantwortlich
zeichnet, entwarf die Kostüme. Die Meister sind in grünen Loden gekleidet
(sie sehen alle mehr oder weniger wie Wagner aus), und Stolzing fällt
durch seine dürersche Haarpracht auf. Ansonsten sind die Kleidungsstücke
der Inszenierung angemessen.
In
der Rolle des Hans Sachs war Wolfgang SCHÖNE bei seinem Rollendebüt zu
hören, der sich auf Grund eines grippalen Infektes entschuldigen ließ.
Er machte seine Sache ordentlich. Alle Töne waren da, aber es fehlte das
gewisse Etwas. Er hatte einen gewaltigen Einbruch, als er seine unterbrochene
Schlussansprache fortsetzte. Da war seine ohnehin nicht sonderlich große
Stimme fast gar nicht mehr zu hören.
Der
Beckmesser war mit Hans Joachim KETELSEN hervorragend besetzt. Er macht
aus der Rolle nicht einen selbstmitleidsschwangeren Trottel, sondern hielt
immer die falstaffleske Waage zwischen Komik und Ernst.
John
TRELEAVEN in der Rolle des Stolzing bewältigte die Partie mit Anstand.
Leider singt er insgesamt mit sehr viel Druck auf der eher kleinen Stimme,
so daß gerade das Preislied wenig differenziert erklingt. Dennoch versteht
er sich darauf, schön zu phrasieren und auch die Spitzentöne kamen tadellos.
Auch wenn es bessere Rollenvertreter geben mag, fand ich die Buhrufe für
ihn am Schluss nicht gerechtfertigt.
Ein
doppeltes Debüt gab es für Anja HARTEROS, die mit ihrer ersten Eva das
erste Mal an der Staatsoper zu Gast war. An ihrem Vortrag gibt es nichts
auszusetzen. Sie hat eine schöne Stimme, ist höhensicher und kann auch
darstellerisch überzeugen, allerdings ist die Partie etwas klein. Katja
PIEWECKs Magdalena kann sich auch durchaus hören lassen.
Harald
STAMM überzeugte als Pogner, trotzdem seine Stimme schon in die Jahre
gekommen ist. Den David gab Jürgen SACHER mit einem herrlichen Charaktertenor,
der leider für dieses Haus etwas zu klein ist.
Unter
den Meistersingern ragte vor allem Johan REUTER als Fritz Kothner mit
kernig-kraftvollem Heldenbariton heraus. Die anderen Meister waren mit
Thorsten SCHARNKE (Kunz Vogelgesang), Jan BUCHWALD (Konrad Nachtigall),
Frieder STRICKER (Balthasar Zorn), Michael SMALLWOOD (Ulrich Eisslinger),
Peter GALLIARD (Augustin Moser), Michael VIER (Hermann Ortel), Carl SCHULTZ
(Hans Schwarz) und Jörn SCHÜMANN (Hans Foltz) besetzt.
Vielleicht
sollte jemand Andreas HÖRL (Nachtwächter) mal klar machen, daß seine Elchimitationen
(verwegene Menschen mögen es als stimmliche Leistung bezeichnen), nichts
auf einer Opernbühne verloren haben.
Am
Pult des PHILHARMONISCHEN STAATSORCHESTERs waltete GMD Ingo Metzmacher,
der bisher alle Konwitschny-Produktionen musikalisch betreute. Er bewies
einmal mehr seine Qualitäten als Wagner-Dirigent. Es tönte ein satter,
dichter Wagner-Sound aus dem Orchestergraben, gewürzt mit zupackenden
Tempi. Gelegentlich kam mir das Blech zu laut vor, was aber auch an meinem
Platz gelegen haben mag. Jedoch hielt er die Musiker immer zusammen und
entwirrte die kontrapunktischen Knoten gekonnt. Die Buhs für ihn blieben
mir schleierhaft.
Der
CHOR samt EXTRA-CHOR unter Florian CSIZMADIA bewältigte die hohen Anforderungen
des Werkes ohne Fehl und Tadel, sieht man mal von den partiell etwas zu
frühen Einsätzen beim "Wach Auf"-Chor ab. Wolfgang Schmoller
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