Ein
wunderschönes Bühnenbild, kleidsame Kostüme, und eine Regie, an deren
Lebendigkeit auch die seit der Premiere vergangenen Jahrzehnte nichts
ändern können. Dazu meist Besetzungen, die mit Spaß und Enthusiasmus bei
der Sache sind und ihren Rollen stimmlich und darstellerisch entsprechen...
Diese
immer wieder aufs Neue begeisternde und gerade für Operneinsteiger genau
richtige Produktion wurde leider abgesetzt. Stattdessen spielte man eine
neue Inszenierung, die im April 2000 Premiere hatte und überflüssig ist,
wie schon lange keine mehr. Die Oper hat kein Geld, weswegen dann für
diese Nichtigkeit immerhin aus Steuergeldern gewonnene Subventionen vernichtet
werden mußten, kann nicht nachvollzogen werden.
Das
Bühnenbild (Frank Philipp SCHLÖSSMANN) ist bestenfalls häßlich zu nennen,
die Kostüme (Klaus BRUNS) einfallslos. Das Kostüm von Musetta ist da eine
Ausnahme, oder liegt es nur daran, daß die Sängerin, die nicht die Premiere
sang, sich darin bewegen kann?
Olivier
TAMBOSI begeht so viele handwerkliche Fehler, daß man sich fragt, wo der
Mann seinen Job eigentlich gelernt hat. Wenn es in der Mansarde so kalt
ist, warum tragen die Bohèmiens dann nicht ihre Mäntel, die in einem Schrank
hängen? Warum läuft Colline dann im Unterhemd herum? Marcello beschäftigt
sich mit Photo-Collagen, wie kann er dann immer nur Musettas schwarze
Augen malen? Weshalb betritt jeder die offenbar türlose Mansarde einfach
so, klopft aber trotzdem an? Nach dem Umfang des Dramas zu urteilen, das
in einem Aschenbecher verbrannt wird, schreibt Rodolfo Pixie-Bücher. Ein
Café Momus gibt es nicht, die Leute sitzen auf Geschenkkartons herum,
Kellner gibt es nicht, es wird auch nichts serviert, weswegen die Szene
mit der Rechnung völlig unlogisch wird (wer muß denn bezahlen, was er
weder bestellen, noch verzehren konnte?).
Im
letzten Akt machen Schaunard und Colline ein Bett für Mimi, die trotzdem
auf dem Fußboden krepiert. Es scheint niemand auf die Idee zu kommen,
daß man dieses Bett auch benutzen könnte. Colline und Schaunard wollen
die Mansarde verlassen, als Mimi stirbt - das hat Kupfer schon vor Jahren
wesentlich besser dargestellt. Und wenn dann die beiden und Marcello Rodolfo
mit brutaler Gewalt von Mimis Leiche fortzerren, tötet es jeder Stimmung,
die vielleicht noch hätte aufkommen können.
Was
Tambosi vom Libretto her nicht in sein Konzept, wie auch immer das aussehen
mag, paßt, wird auch in den Übertiteln weggelassen. Hält man Publikum
tatsächlich für so blöd? Fazit ist jedenfalls, daß ich das erste (und
hoffentlich das letzte Mal) in einer "Bohème" war, in der ich kein einziges
Mal gelacht oder geschluckt habe.
Frédéric
CHASLIN, der gemeinsam mit Tambosi und Schlössmann schon die "Lucia di
Lammermoor" vergangene Saison zugrunde gerichtet hatte, dirigierte so
zerdehnt, daß die Sänger mehr als einmal in Probleme gerieten. Es fehlte,
gerade in den Szenen zwischen den Bohèmiens jegliches Tempo. Auch der
Zusammenhalt zwischen den Sängern litt darunter, ebenso wie die Balance
zwischen Bühne und Graben. Chor und Orchester mühten sich redlich, aber
nicht immer erfolgreich.
Brigitte
HAHN (Mimi) forciert ihre Stimme, um an den dramatischeren Stellen überall
im Haus gehört zu werden, aber auch das gelingt ihr nicht immer. Ihre
Höhe ist reichlich dünn und klingt nicht organisch mit dem Rest der Stimme
verbunden. Darstellerisch blieb sie sehr allgemein, so daß es mir am Ende
ziemlich gleichgültig blieb, ob sie nun starb.
Zoran
TODOROVICH sieht übertenoral gut aus, kann sich bewegen, phrasiert auch
nicht unintelligent, das Timbre erinnert zuweilen an Araiza. Seine Höhe
jedoch nur als gefährdet zu bezeichnen, hieße diese schönzureden. Am ganzen
Abend gab es keinen einzigen Spitzenton, der wirklich erreicht wurde,
hinzu kamen noch diverse heisere Töne.
Gabriele
ROSSMANITH als Musetta war einer der wenigen erfreulichen Erscheinungen
an diesem ansonsten verlorenen Abend. In einem Hosenanzug à la Marlene
Dietrich toll aussehend sang sie die Rolle mit Raffinement und vollkommen
frei von technischen Problemen. Als jemand, die bereits in der alten Inszenierung
mitgespielt hatte, konnte sie auch die Lebendigkeit vermitteln, die den
anderen fehlte. Womit der Marcello von Wolfgang RAUCH diese Musetta verdient
hatte, blieb mir verborgen. Zwar hatte er das für ihn schon fast charakteristische
Scheppern seiner Stimme besser unter Kontrolle als sonst; das machte diesen
allenfalls durchschnittlichen Sänger aber auch nicht interessanter.
Die
Wiederbegegnung mit Randall JAKOBSCH als Colline hingegen bestätigte den
Eindruck über diesen Sänger, den ich vor zwei Jahren in Köln gewonnen
hatte. Eine gut geführte, individuell timbrierte, für die sichtliche Jugend
des Sängers große Baßstimme, die man gerne einmal in größeren Rollen begegnen
möchte. Oliver ZWARG (Schaunard) konnte in keiner Weise an die guten Schaunard-Besetzungen
früherer Jahre anknöpfen. Seine Stimme klang heiser und reizlos, sein
Spiel war so unauffällig, daß er im Dekor untergegangen wäre, hätte es
etwas gegeben, was diesen Namen verdiente.
Als
der Benoit von Carl SCHULTZ im ersten Akt auftrat, hätte ich beinahe ausgerufen,
"endlich ein Mensch auf der Bühne!". Ihm wäre es als einzigem beinahe
gelungen, mir ein Lachen zu entlocken. Zusätzlich sang er die Rolle auch
noch, anstatt sie nur zu granteln. Der Alcindoro ist eine von Dieter WELLERs
besseren Rollen, Frieder STRICKERs Parpignol-Auftritt ging in der schlechten
Regie fast unter.
Nebenbei
möchte ich einmal darauf hinweisen, daß die Preise für die Programmhefte
langsam Grenzen überschreiten, die weder durch die darin gebotene Leistung,
noch durch die Preise an vergleichbaren Häusern gerechtfertigt werden.
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