Aus Anlaß des 100. Geburtstages von Kurt Weill gab es an diesem Abend ein Konzert im Großen Haus der Hamburgischen Staatsoper. Der Rahmen war vielleicht nicht ganz günstig gewählt, da das eine oder andere Stück sicherlich eine intimere Atmosphäre vertragen hätte, als dies in der für einen Liederabend gut besuchten Oper möglich war. Die Bühne war dekoriert mit mehreren Stühlen, zwei Kneipentischen sowie dem Flügel. Dargeboten wurden Stücke aus der "Dreigroschenoper", "Happy End", "Silbersee", "Berliner Requiem", "Marie Galante" und "Konjunktur" sowie die Songs "Wie lange noch" und "Youkali".

Die musikalische Leitung oblag Joachim KUNTZSCH, der den Abend am Flügel engagiert agierte, und es sich auch nicht nehmen ließ, bei einigen Stücken gesanglich mit in Erscheinung zu treten.

Weniger positiv schlug die Leistung von Bariton Kay STIEFERMANN zu Buche. Er sang zwar - gemeinsam mit Kuntzsch - einen wirklich erstklassigen "Kanonensong" aus der "Dreigroschenoper" und auch der "Bilbao-Song" aus "Happy End" hatte seine Meriten, insgesamt muß Stiefermann allerdings attestiert werden, daß seine Ausflüge ins Piano immer in einer wenig schön geführten Kopfstimme endeten. Auch mangelte es ihm an - gerade bei den zugrunde liegenden Texten wichtigen - Wortdeutlichkeit.

Diese besaßen dagegen die Damen in vorbildlicher Weise. Gabriele ROSSMANITH (Sopran) und Renate SPINGLER (Mezzosopran) verfügen beide über technisch einwandfreie, individuell, aber edel timbrierte Stimmen, die in der Oper schon häufig Freude gemacht haben. Diese Stimmen nun die sehr direkten Texte mit ihren manchmal nicht ganz jugendfreien Inhalten singen zu hören, hatte einen besonderen Reiz.

Wenn Gabriele Rossmanith mit ihrer mädchenhaften Erscheinung und unschuldigem Stimmklang den "Barbara-Song" aus der "Dreigroschenoper" oder "Das Lied vom Surabaya-Johnny" aus "Happy End" singt, bekommen diese Songs zusätzlich die Dimension einer Frau, die schon zuviel gesehen, aber so ganz ihre Naivität noch nicht verloren hat. Mit "Youkali" bewies sie wieder einmal, wie sehr ihre Stimme und die französische Sprache miteinander harmonieren.

Renate Spingler, übrigens in einem sehr sexy Kleid, gab ihrem sowieso schon sinnlichen Mezzo noch eine Spur Verruchtheit hinzu und bot so einen guten Kontrast. Ihr gelang eine großartig phrasierte und tatsächlich die beschriebenen Ereignisse fühlbar machende "Seeräuber-Jenny", die auch den meisten Applaus des Abends erntete (den Song endlich einmal wieder gesungen und nicht hauptsächlich gesprochen zu hören, war allein schon den Besuch wird). Auch "Wie lange noch" drückte die Schmerzen einer an ihrer Beziehung leidenden Frau sehr greifbar aus.

Beide Damen zusammen setzten den ersten Höhepunkt mit dem "Eifersuchtsduett", in welchem sie das Kunststück schafften, sich gegenseitig anzukeifen, ohne dabei die Gesangslinie zu verlassen. Alle Künstler zusammen sangen noch unter anderem ein sehr bissiges "Muschel von Margate" aus "Konjunktur" sowie zum Schluß den "Matrosensong" aus "Happy End". Das Publikum überschüttete die Künstler mit soviel Applaus und Bravo-Rufen, daß sie sich mit zwei Zugaben bedankten. MK