Für
den Hamburger "Lohengrin" zeichnete der international renommierte, aber
auch kontrovers diskutierte Regisseur Peter KONWITSCHNY verantwortlich.
Zwischenzeitlich wurde er bereits zum dritten Mal vom Magazin "Opernwelt"
zum "Regisseur des Jahres" gewählt. Manche sagen zu Recht, andere wiederum
sind skeptisch ob seiner manchmal überaus progressiven Sichtweise auf
die Klassiker der Opernliteratur. Gerade deshalb durfte man auf seine
Deutung der vielleicht deutschesten aller Opern sehr gespannt sein.
Bereits
im Vorfeld der vor fast zwei Jahren herausgekommenen Inszenierung gingen
die verschiedensten Details durch die Presse, und man fragte sich, ob
und wie die Inszenierung gelingen und ob sie ohne weiteres auch am Gran
Teatro del Liceu in Barcelona Bestand haben würde - denn mit diesem Traditions-Tempel
der Opernkunst wurde dieses Werk Richard Wagners in Koproduktion erarbeitet.
Ein
Teil der Opernbesucher fühlte sich aufgrund des Bühnenbildes mit Sicherheit
an die Schulzeit erinnert - zeigt es doch ein Klassenzimmer, wie es noch
bis in die sechziger Jahre hinein an deutschen Schulen üblich war. Und
damit war schon deutlich, daß Peter Konwitschny bei seinem "Lohengrin"
auf jegliches romantisierende Detail verzichtet. Wie nicht anders zu erwarten,
brauste einerseits ein Sturm der Entrüstung durch die Reihen der eingefleischten
Wagnerianer - andererseits brachen Beifallsstürme im internationalen Feuilleton-Blätterwald
aus. En Detail: Konwitschny inszeniert stringent, nie den einmal aufgenommenen
roten Faden aus den Augen verlierend und: er erzählt diese Geschichte
(Gottseidank!) völlig untypisch.
Für
alle Fans der (über)-deutlichen Symbolik, und auch diejenigen, die ohne
große Kenntnis des Inhaltes sich an diese Oper trauten, mußte der Beginn
ganz nach dem eigenen Gusto gewesen sein, wenn König Heinrich auftritt
und an der Tafel die Familienverhältnisse zwischen Elsa und Gottfried
skizziert. Telramund und Ortrud, als die bösen Gegenspieler sind - im
Gegensatz zu dem Protagonistenpaar Lohengrin und Elsa, ganz in schwarz
gekleidet (Achtung: Symbol für böse!!), und werden als "Sitzenbleiber"
der Klasse in die letzte Bank verbannt. Damit ist die Stellung der beiden
im Verlauf der Geschichte bereits deutlich gekennzeichnet.
Elsa
und Lohengrin (Inga NIELSEN und Jeffrey DOWD) zeigten ihre besten Leistungen.
Inga Nielsen bestach durch einen wunderbar lyrischen Sopran, der auch
in den exponierten Höhen leuchtende Strahlkraft bewies, ohne auf dramatische
Färbungen verzichten zu müssen. Sie verkörperte glaubhaft das verängstige
Mädchen, das auf seinen Beschützer wartet, sich diesem aber nicht bedingungslos
hingibt, sondern durchaus seinen eigenen Willen und eigene Vorstellungen
hat: "Nie sollst Du mich befragen..." Daß sie es trotzdem tut, ist allgemein
bekannt. Jeffrey Dowd begann verhalten, aber mit einer warm timbrierten
Mittellage. Dennoch klangen seine Spitzentöne zu keiner Zeit angestrengt.
Daß er sich im Laufe des Abends steigerte macht Sinn, gipfelt seine Darstellung
doch (auch von der gesanglichen Seite) in der Gralserzählung, die er bravourös
meisterte und berechtigten Szenenapplaus erhielt.
Harald
STAMM als König Heinrich bewies erneut, welch guter Wagner-Interpret er
ist, überzeugte er mit voll strömender, profunder Stimme und machte schon
den Beginn des vierstündigen Abends zu einem echten Erlebnis. Wolfgang
RAUCH schien dieser Leistung nicht nachstehen zu wollen und unterstützte
das Ensemble in der eigentlich undankbaren Rolle des Heerrufers brillant.
Manche
Wagnerfans sind der Meinung, die eigentlichen Hauptpartien sind die des
Telramund und der Ortrud. Man kann dem durchaus zustimmen, wenn diese
Rollen adäquat besetzt sind. Hamburgs Intendanz bewies diesmal eine erstaunlich
gute Besetzungspolitik Naturgemäß hatte es Hartmut WELKER als Graf von
Telramund schwer, sich gegen die stimmliche und darstellerische Brachialgewalt
der Ortrud, dargestellt von Eva MARTON, durchzusetzten. Dennoch schlug
er sich sehr wacker und konnte ein überzeugendes Rollenportrait abliefern.
Man hätte sich aber eine weniger ängstliche und larmoyante Rollenumsetzung
gewünscht.
Eva
Marton dagegen zeigte eine Ortrud, die schlichtweg eine Naturgewalt war.
Ihre darstellerische Präsenz ist in den zu ihr passenden Rollen genauso
überwältigend wie ihre stimmlichen Fähigkeiten. Diese sind durch langjährige
Beschäftigung mit der Rolle der Ortrud so ausgereift, daß man sich kaum
ein überzeugenderes Portrait vorstellen kann. Ihre messerscharf herausgeschleuderten
Spitzentöne raubten einem den Atem. Sie überzeugte durch große Dramatik
in der Stimme, ist aber genauso zu leisen Tönen im zweiten Akt bei der
Szene mit Elsa fähig. Eine große Sing-Darstellerin, die vom Publikum frenetisch
gefeiert wurde. Dies war erneut einer ihrer großen Abende an der Staatsoper.
Ingo
METZMACHER führte seine "Mannen" an den drei besuchten Vorstellungen in
der gewohnt guten für ihn klangspezifischen Transparenz durch die Partitur,
sorgte aber auch durch feinste Nuancen und Schattierungen für ein wirklich
gelungenes musikalisches Highlight. "Lohengrin" in dieser Form ist für
alle, die von den "verknöcherten" typischen Idealen der jahrzehntelang
gezeigten Inszenierungen genug haben, ein echtes Highlight - alle anderen,
traditionsbewußten Wagnerianer sollten sich lieber zuhause bei einem Glas
Rotwein eine gelungene CD-Einspielung anhören. Ralf-Michael Ziebold
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