Gut
80 Jahre nach ihrer Uraufführung am selben Ort, kehrte die "Penthesilea"
des Schweizer Komponisten Otmar Schoeck (1886 -1957) nun in die Dresdener
Oper zurück. Einiges hat sich seit dem getan. So gab es in der Uraufführung
eine Besetzung von u. a. mehreren Klavieren, aber keinen Streichern, was
Schoeck anschließend in nur zwei Klaviere, vier Soloviolinen, stark besetzte
Bratschen, Celli und Kontrabässe abmilderte. Die zehn Klarinetten, viel
Blech und Schlagzeug allerdings beließ er.
Sollte
es das sein, was dem Werk den Eingang ins Repertoire bis heute verwehrt
hat? Schwer zu sagen, denn die Aufführung jetzt in Dresden (wie wohl auch
die kürzlich in Basel) zeigt ein mitreißendes Stück Musiktheater.
Schoeck
hat den Kleist'schen Text straff gekürzt und vertraut den Worten so sehr,
daß er nicht geringe Teile deklamieren lässt. Eine Herausforderung für
die Sänger, die oft von der Sprech- in die Singstimme wechseln müssen.
Besonders dabei für die Titelfigur, die fast die gesamten 75 Minuten auf
der Bühne ist und gewaltige emotionale Stürme durchlebt.
Penthesilea
wird vom Griechen Achilles in der Schlacht besiegt und bricht bewußtlos
zusammen. Bei ihrem Erwachen wird ihr vermittelt, daß sie den Griechen
besiegt habe, denn nur so kann sie den Helden zum Geliebten nehmen, der
sich inzwischen in sie verliebt hat. Penthesilea erwidert diese Liebe,
und beide teilen Momente des Glücks. Als aber die Lüge heraus kommt, bietet
Achilles zum Schein einen zweiten Kampf an; er will sich kampflos der
Geliebten ergeben. Im Sturm ihrer Gefühle erkennt Penthesilea dies nicht
und zerfleischt den vermeintlichen Gegner. Als ihr die Tat bewußt wird,
will auch sie nicht mehr leben.
Iris
VERMILLION ist eine beeindruckende Amazone. Schlank und sportlich, aber
wie ihre Kriegerinnen in schwarzem Korsagenkleid mit weitem Rock (Kostüme
Falk BAUER), beherrschen ihre Gefühle und ihre Stimme die Bühne. Die dunkle
extreme Tiefe, samten und hart zugleich, beherrscht sie in Ausbrüchen
großer Leidenschaft, wie auch bei milderen Klängen im Liebeswerben. Wenn
sie am Ende blutüberströmt, nun in jungfräulichem Weiß, einsam auf der
Bühne steht, zerbrechlich und zerbrochen, ist das großes Theater, ein
Augenblick, in dem die Geschichte still steht.
Der
Achilles von Markus NIEMINEN bietet ihr in Darstellung und äußerem Machismo
ein überzeugendes Gegenüber, stimmlich tut er dies leider nicht. Da schon
eher die Kriegerinnen Milana BUTAEVA als Protoe, Stephanie ATANASOV als
Meroe, Alexandra PETERSAMER als Oberpriesterin und Birgit FANDREY als
erste Priesterin, ergänzt durch den guten CHOR DER SÄCHSISCHEN STAATSOPER
DRESDEN, auch wenn sie in ihrem Einheitskriegerinnenlook mit den weißen
Gesichtern nur schwer auseinander zu halten sind.
Günter
KRÄMER verläßt sich bei seiner Regie auf die Wirkung der Figuren. Außer
der Bewegungschoreographie der Kriegerinnen ist der überwiegende Teil
eher statisch inszeniert, was die Bühne von Jürgen BÄCKMANN mit ihrer
massiven goldenen Wand noch unterstreicht. Größere Eingriffe nimmt Krämer
am Anfang vor, als er von einer Schauspielerin (Anna Franziska SRNA) einen
Brief Kleists an seine Cousine zitieren läßt, in dem jener im Zusammenhang
mit der "Penthesilea" für ein Theater für Frauen und einem für Männer
plädiert, da die Frauen diese Stoffe nicht vertrügen. Eine Geste, die
vielleicht etwas über Kleist sagt, an dieser Stelle aber nicht erhellend
ist. Schlüssiger ist da schon das Ende, wenn Penthesilea den Achilles
nicht gänzlich zerfleischt hat, wie das Libretto nahe legt, sondern ihn
anscheinend bei lebendigem Leibe entmannt hat. Wie sagt sie so schön:
"Küsse, Bisse, das reimt sich".
Viel
zum, man mag bei diesem Thema kaum Genuß des Abends schreiben, trägt die
SÄCHSISCHE STAATSKAPELLE unter Gerd ALBRECHT bei. Jede Schattierung, jeder
Ausbruch von Schoecks Musik wird zum Leuchten gebracht. Und leuchten tut
diese Musik, zwischen Spätromantik und ganz eigenem Duktus.
Wie
schon vor 80 Jahren auch diesmal überwiegend einhelliger Jubel in der
Premiere. Vielleicht ist es ja diesmal ein gutes Omen. Das stünde zu hoffen.
KS
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