Leoš
Janácek hatte eine Vorliebe für Stoffe über die dunklen Seiten der Menschen,
und wie diese miteinander umgehen. Man denke an "Jenufa" oder "Katia Kabanova".
Am deutlichsten aber wird das in seiner letzten Oper "Aus einem Totenhaus",
für die er sich ausgerechnet Dostojewskis Bericht aus einem sibirischen
Strafgefangenenlager ausgewählt hatte. Viel dunkler kann die menschliche
Existenz nicht gezeigt werden.
Daß
das Werk trotzdem immer wieder in den Spielplänen aufscheint, verdankt
es nicht zuletzt Janáceks ergreifender Musik. In wohl keinem anderen seiner
Werke sind Bedrohung und Hoffnungsschimmer so eng verwoben, es ist ein
Ringen über die gesamten eineinhalb Stunden der Oper. Noch-GMD John FIORE
und die DÜSSELDORFER SYMPHONIKER halten diese Spannung mit herbem Klang
über weite Strecken durch, lassen keine Ruhe aufkommen, peitschen voran.
Für
die Bilder dazu sorgt Regisseur Stein WINGE. Sein Bühnen- und Kostümbildner
Herbert MURAUER schafft das Gefangenenlager als grauen Hochsicherheitstrakt
eines modernen Gefängnisses. Grau ist auch die Kleidung der Männer, die
bewacht werden von schwarzen Männern und Frauen (!), die einer SEK-Einheit
entliehen sein könnten. Alles wirkt kalt, fast klinisch, die Gefangenen
teilweise hinter Glas, alles weit weg vom Dreck und der Kälte des sibirischen
Omsk.
Worauf
es ankommt sind die Männer, die das Schicksal dorthin verschlagen hat
und ihre Geschichten. Einer nach dem anderen erzählt seine persönliche,
mal leise, mal im Wahnsinn, mal brutal, mal resigniert. Beziehungen bahnen
sich an oder enden, alles von Janá?ek fein verwoben. Und hier liegt die
Stärke der Düsseldorfer Inszenierung. Jeder des Ensembles gibt alles für
seine Rolle, und alle tun das sehr spielstark, manchmal dafür mit stimmlichen
Schwankungen, wo die Personenregie sie öfter im Stich lässt. Erwähnt werden
müssen Ludwig GRABMEIER als Adeliger Alexander Petrowitsch Gorjantschikow,
Michael PFLUMM als jugendlicher Aljeja, Alfons EBERZ als Luka, Bruce RANKIN
als Schapkin, Jan VACIK als Skuratov und Oleg BRYJAK als Schischkow.
Obwohl
Janácek immer besonderen Wert auf den Zusammenklang von Text und Musik
gelegt hat, ist man doch beinahe geneigt, sich eine Aufführung in deutscher
Sprache zu wünschen, bei einem Werk mit viel Text und vergleichsweise
wenig Handlung, und bei einem Ensemble, denen die tschechische Sprache
größtenteils nicht leicht über die Lippen geht.
Am
Ende entlassen die Häftlinge den Adler, den sie gesund gepflegt haben
in die Freiheit der sibirischen Wälder. Sie selbst liegen auf dem Boden
und bewegen die Arme als ob auch sie davon fliegen könnten. Und Janáceks
Musik dazu läßt zumindest einen Rest Hoffnung, wie vergeblich auch immer.
KSch
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