Wenn
Darmstadt nur eine einzige schöne Ecke hat, dann sind es die Jugendstilgebäude
auf der Mathildenhöhe. Dazu passend bekommen wir nun ein schönes Stück
aus der Zeit mit sehr jugendstiligem Dekor.
Heinz
BALTHES Bühnenbilder sind voller Jugendstilmotive: So besteht ein Bild
aus einem typischen Blumenmotiv; ein Hintergrund ist einem gußeisernen
Tor Gaudís nachempfunden. Auch die Möbel stammen aus dieser Zeit (Stühle
und Salomes Kommode), ebenso wie einige Kostümdetails (Kostüme: José-Manuel
VÁZQUEZ), zum Beispiel die Rankenverzierungen an Salomes Kleid. Auch hat
man sich möglicherweise bemüht, mit einigen Szenenbildern Beardsleys berühmte
Illustrationen der Erstausgabe von Oscar Wildes Stück nachzustellen. Eine
durchaus interessante Idee.
Etwas
seltsam fand ich die Choreographie (Anthoula PAPADAKIS) zu Salomes Tanz
- ja, ich weiß, daß das nicht so harmlos gemeint ist, aber wenn sich Salome
auf den Schößen der anwesenden Herren räkelt hat das auch mit Tanz nicht
mehr so viel zu tun… Ich bin ja glatt beeindruckt, daß die Sängerin das
mitgemacht hat. Dazu kam das etwas seltsame Verhältnis zwischen Herodias
und der Sklavin - die Hauptaufgabe der Letzteren bedarf wenig Gerate.
Wieso ist Herodias überhaupt verheiratet? Und obwohl ich nicht verheimlichen
will, daß die Hintergrundhandlungen der zwei mich meistens sehr amüsiert
haben, verstehe ich einfach nicht, was das Ganze sollte.
Es
gab allerdings auch einige Momente der Inszenierung (John DEW), die mir
besser gefielen: Wie sich Herodes' Gäste nach Salomes Tanz vor ihr aufreihten,
um nach Autogrammen zu fragen. Die ziemlich arschkriecherische Darstellung
der Gäste, die mich mehrmals zum Lachen brachte. Wie sich alle Anwesenden
je eine Tüte Popcorn holten, um zuzusehen, was Salome denn nun mit dem
Kopf des Jochanaan vorhat…
Das
ORCHESTER hat mit Evan CHRIST einen mir neuen Dirigenten, aber das ist
nicht zu seinem Nachteil. So klar habe ich dieses Orchester schon lange
nicht mehr spielen hören. Ein besonderes Lob geht an den Unbekannten an
der Es-Klarinette.
Bevor
ich zu den einzelnen Rollen komme, eine Frage in Richtung des Autors/der
Autoren des Programmhefts: Ich fand es eine schöne Angewohnheit, am Ende
des Hefts die Namen der auf den einzelnen Fotos gezeigten Sänger/Schauspieler
aufzulisten. Warum wurde das eigentlich abgeschafft?
So
war ich nämlich, bis zum nächsten Internetzugriff, unsicher, wer denn
nun Erica BROOKHYSER (ein Page der Herodias) und wer Hannah GARNER (eine
Sklavin) war. Mittlerweile weiß ich, daß die Letztere kaum etwas zu singen
hatte und die Erstere eine anständige, aber unauffällige Leistung abgeliefert
hat.
Unter
den kleineren Rollen fielen Lasse PENTTINEN (Erster Jude), Peter KOPPELMANN
(Zweiter Jude) und Werner Volker MEYER (zweiter Nazarener) auf. Übertroffen
hat sie noch Thomas MEHNERT (Erster Soldat und Erster Nazarener), dessen
mich immer wieder beeindruckender Baß scheinbar überall herauszuhören
ist.
Mark
ADLERs Narraboth nennt eine ausgesprochen wohlklingende Stimme sein Eigen,
leider gelang es ihm nicht immer sich gegen das Orchester durchzusetzen.
Neben Salome wirkte er sowohl in seiner Rolle als auch stimmlich manchmal
ein wenig verloren. Dennoch hat mir sein klarer und recht weich klingender
Ton sehr gut gefallen.
Meine
Meinung über Susanne SERFLINGs Salome ist ein bißchen geteilt: größtenteils
gefiel sie mir gut; sie spielte eine sehr manipulative Salome, mit einem
scheinbaren Hang zur Geisteskrankheit (oder war das nur die Auswirkung
der Verliebtheit?) und ihr klarer und kräftiger Gesang konnte beeindruckend.
Doch leider geht es nicht ohne "aber": drei oder vier Mal gelang ihr ein,
meist hoher, Ton nicht, lag knapp daneben oder klang einfach unschön.
Der Haupteindruck bleibt jedoch positiv.
Gundula
HINTZ als Herodias überzeugt vor allem als Schauspielerin, deren etwas
vulgärer Auftritt und Dialoge mit Herodes mich mehr als einmal zum Grinsen
brachten. Sollte die Handlung vorne auf der Bühne langweilig sein, brauchte
man nur mal nach ihr zu sehen, und es fand sich mit Sicherheit zumindest
irgendein kleiner Gag. Ihr Gesang war gefällig, aber nicht sonderlich
auffallend.
Stark
überrascht hat mich Scott MACALLISTER (Herodes), den ich bisher nur einmal
und das wohl an einem sehr schlechten Abend erlebt hatte. Dementsprechend
wußte ich nicht, was mich dieses Mal erwartete, und war daher sehr erfreut.
MacAllister gelang sowohl ein durchaus wohlklingender Gesang als auch
ein überzeugendes Schauspiel. Sein Herodes wird als bereits angetrunken
dargestellt, und seine sich nach und nach ändernden Gefühle gegenüber
Salome hat er gut deutlich machen können. Stimmlich fiel er durch einen
glasklaren Ton auf; seinem Gesang fehlte die Spannung nie, und seine Höhen
konnten beeindrucken.
Trotz
seines relativ kurzen Auftritts war Kay STIEFERMANN als Jochanaan jedoch
der beste Darsteller des Abends. Sein Gesang war voller Ausdruck, kraftvoll
und stellte selbst in Piano-Passagen alle um ihn herum in den Schatten.
Sein Spiel war stellenweise fast komisch, als er sich fast hilfesuchend
zu den Soldaten umwandte, als wolle er sie bitten, ihn gegen Salomes Annäherungsversuche
zu verteidigen. Als es ihm später nicht gelang, Salome zu überreden, Jesus
in die Wüste zu folgen, wirkte er von einer solchen Trauer erfüllt, daß
mir die Tränen in die Augen stiegen.
Eine
sehr gelungene Aufführung. Wenn es mir das Staatstheater leichter machen
würde zu erfahren, wann die Zweitbesetzungen singen, würde ich glatt noch
mal hingehen… NG
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