"Neulich
war ich im Musical. Um vier Uhr ging es los. Etwa eine Stunde später sah
ich auf die Uhr, und da war es Viertel nach." So sehr wie am Sonntag in
Elton Johns "Aida" konnte ich diesen Witz noch nie nachvollziehen…
Die
Hauptschuld dabei liegt nicht einmal beim Staatstheater sondern schlicht
und einfach am Stück. Die Geschichte ist wird durch die ganzen zusätzlichen
Verwicklungen auch nicht interessanter, die deutsche Übersetzung der Texte
ist holprig und ungeschickt, selbst wenn man die Originaltexte nicht kennt,
und so langweilige und eintönige Musik habe ich nicht mehr gehört, seit
mein Plattenspieler einen Hänger hatte, und immer die selben zwei Sekunden
abgespielt hat.
Das
Stück wird durch seine Besetzung nicht unbedingt interessanter. Der CHOR
unter André WEISS gibt sich zwar große Mühe, aber ein Opernchor der Musicals
singt? Es funktioniert einfach nicht immer, und in diesem Fall hat der
typische Klang des Chores nicht gerade geholfen, die Stücke weniger langweilig
klingen zu lassen. Das ORCHESTER, dirigiert von Vladislav KARKLIN fiel
überhaupt nicht weiter auf.
Von
den Solisten in Zwei-Zeilen-Rollen, Juri LAVRENTIEV, Werner Volker MEYER,
Stephanie EINEDER und Hanna BROSTRÖM fiel keiner besonders auf. Sarah
RÖGNER als Nehebka übertrieb es beim Schauspielern so schamlos, daß es
fast schon peinlich, war ihr zuzusehen.
Hubert
BISCHOF als der Pharao hat eine reine Sprechrolle und wirkte auf der Bühne
stellenweise genervt oder gelangweilt. Ob er von dem Stück das Selbe hält
wie ich, oder ob das ein Nebeneffekt beim Spielen eines alten, kranken
Mannes war, weiß ich nicht zu sagen…
Malte
GODGLÜCKs Amonasro ist eine auffällige Erscheinung. Zu singen hat er leider
nichts, aber er spielt gut und seine Tochter Aida mühelos an die Wand.
Auch Andreas WAGNER als Mereb fiel durch sein gutes Schauspiel auf. Gesanglich
war er ebenfalls eines der erfreulicheren Erlebnisse des Abends.
Die
große Katastrophe zeigte sich erst bei den beiden weiblichen Hauptfiguren.
Sigrid BRANDSTETTER (Amneris) gewinnt hierbei noch über ihre Rivalin,
da ihr wenigstens noch ein überzeugendes und stellenweise auch amüsantes
Schauspiel gelingt. Auch hat sei eine weniger unangenehme Stimme als Aida.
Dominique
AREF als Aida fällt dagegen nur unangenehm auf. Ihre Stimme klingt sogar
beim Sprechen schrill, beim Singen stellenweise sogar schmerzhaft und
unter "Schauspielen" scheint sie eine Ansammlung mehr oder weniger verzweifelter
Blicke zu verstehen. Gleich zwei Dinge habe ich durch sie das erste Mal
erlebt: Dass ein Solist einen lange gehaltenen Schlußton abbricht, um
Luft zu holen, und dann weiter singt, und daß das Bedürfnis mir die Ohren
zuzuhalten so stark wird, dass ich ihm aus Mitleid mit meinen Trommelfellen
nachgebe. Wer auch immer neben ihr auf der Bühne stand, verdient eine
Tapferkeitsmedaille.
Zumindest
ein Sänger hat mich nicht enttäuscht und alle Erwartungen erfüllt, die
ich an ihn hatte: Chris MURRAY als Radames. Er ist als Einziger problemlos
verständlich; er singt und spielt sehr überzeugend und mit einer eigenen
Begeisterung, die sich fast auf mich überträgt; kurz gesagt, wenn an diesem
Abend überhaupt jemand bei mir irgendeine emotionale Reaktion hervorrufen
konnte, dann war es Radames. Es ist der Unterschied zwischen einem Schauspieler,
den man mit seiner Rolle verwechselt, und einem Schauspieler, von dem
man sagt, er habe diese oder jene Rolle gespielt.
Der
Einzige, der ihm wirklich noch etwas entgegenzusetzen hatte, war Randy
DIAMONDs Zoser. Er hat eine ausgesprochen kräftige Stimme, der man gerne
zuhört. Außerdem bringt er ein gewisses tänzerisches Talent mit; sein
Solo "Eine Pyramide mehr" war stark choreographiert, und es war eine Freude
dabei zuzusehen.
Das
Beste der Inszenierung (Johannes REITMEIER) war aber sicherlich die Kombination
aus Kostümen (Michael D. ZIMMERMANN) und Bühnenbildern (Thomas DÖRFLER).
Was die Kostüme angeht, hat jemand zumindest recherchiert; dann aber beschlossen,
den Großteil der Sänger doch anders einzukleiden. Die Kostüme sind bunt,
die Farbzuteilung eindeutig: helle, warme Farben für die Nubier, Soldaten
in schwarz und Ägypter in mehr oder weniger dunkel. Radames trägt ab seiner
Begegnung mit Aida nur noch weiß oder gold. Im Detail scheinen die Kostüme
farblich passend zu jeder Szene ausgewählt worden zu sein. Das Bühnenbild
besteht vor allem aus zwei großen gelben Treppen, die in der Form meistens
eine Pyramide bilden, aber auch häufiger herumgeschoben werden. Hin und
wieder findet die Handlung auch vor einem dünnen Vorhang statt, auf den
Bilder projiziert werden (Karl-Heinz CHRISTMANN); beispielsweise ein Feuer
für Merebs Erzählung "Ich kenn dich" oder diverse Afrikabilder für Radames'
und Aidas Träume in "Von einem Traum entführt".
Schließlich
gibt es auch noch eine prunkvolle Thronsaal-Kulisse unter der sich im
letzten Akt auch die Höhle für das Grab der Hauptfiguren befindet. Zusammen
mit einer aufwendigen Choreographie (Anthoula PAPADAKIS), die nur leider
unter der stellenweise fehlenden Synchronie der Tänzer leidet, und einigen
auffälligen Lichteffekten entstehen auf der Bühne Bilder, die mich wünschen
lassen, ich könnte den Ton abstellen und einfach nur zusehen.
Abschließend
kann ich nur sagen, daß ich mich schon für weniger Geld gelangweilt habe
und mich darüber ärgere, daß das Staatstheater wegen so einem Schnarchstück
bereits zum zweiten Mal die Wiederaufnahme von "Jesus Christ Superstar"
abgesagt hat. NG
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