Die
erste einer Reihe unangenehmer Überraschungen des Abends war der Blick
auf die Besetzungsliste: den Lieblingsbaß verpaßt, und der beste Tenor
des Staatstheaters durch einen mir völlig Unbekannten ersetzt.
Weiter
ging es beim abwegigen Bühnenbild (Peter SYKORA), bestehend aus ein paar
Säulen, hinter denen man sich verstecken kann, und einem kubischen Stein
mit leuchtenden und keinen Sinn ergebenden Hieroglyphen. Dieser stellte
sich später als Ptah-Schrein heraus, so dass Radamès tatsächlich unter
dem Tempel eingeschlossen werden kann…
Drittens
die Kostüme (noch mal Sykora): Ich verstehe ja, daß man sich nicht im
Detail an über altägyptische Modetrends informieren will, aber ein Blick
auf die Landkarte hätte jedem klarmachen müssen, dass man dort weder ellbogenlange
schwarze Handschuhe (die Priester), schwarze Kutten (das Volk) oder schwarze
Ledermäntel (die äthiopische Armee) trug. Ja, man trug gerne Raubtierfelle,
aber bestimmt keine Albinotiger (Amonasro). Davon abgesehen, wäre eine
Entscheidung für eine Epoche schön gewesen: Die Priester treten in Gewändern
auf, in denen sie eher an mittelalterliche Burgfräuleins erinnern; Radamès
im weißen Mantel von der Jahrhundertwende; beide Frauen in engen, ärmellosen
Kleidern, in einem Fall mit Schärpe; die Soldaten in Uniformen aus dem
frühen zwanzigsten Jahrhundert; vier Trompeter mit Livreen aus dem Achtzehnten.
Der Vogel wurde mit dem Kostüm des Pharaos abgeschossen: Roter Samtmantel,
bestickt mit goldenen Ankh-Zeichen, Schulterpolster, doppelt so breit
wie der Sänger und eine Krone in Form eines Obelisken! Ich habe um ein
Haar losgelacht.
Viertens
die Inszenierung (nach Michael HEINICKE): Wirklich schlimm war an sich
nur der Triumphmarsch. Es ist sicherlich die berühmteste Szene der ganzen
Oper und wird hier leider den abartigen Vorstellungen eines Regisseurs
geopfert: Nach der Auszeichnung sämtlicher Kriegshelden mit Orden auf
sehr europäische Art und Weise folgt eine Szene, die man kaum anders beschreiben
kann als: Jeder Kriegsheld darf sich unter den weiblichen Kriegsgefangenen
eine aussuchen und vor versammeltem Volk das machen, wofür man sich für
gewöhnlich ein Gebüsch sucht…
Fünftens
die Sänger: Carlos MORENO übertrifft die Erstbesetzung des Radamès noch
um einiges an Bewegungsunfähigkeit, was wohl nicht unerheblich an seiner
Leibesfülle liegt. Leider kann er das nicht mal durch sängerische Leistung
wettmachen. Er hat eine seltsam nasale Art zu singen, als wäre er verschnupft
und ein Vibrato, das man auf der Richterskala messen kann. Besonders schwach
und unsicher kamen die hohen Töne.
John
In EICHEN als Ramphis hat genau das umgekehrte Problem; seine Rolle schien
zu tief für ihn. Davon abgesehen spielt er ähnlich unbeweglich und hebt
nur die Hand, um jemanden mit seinem Amulett Der Goldenen Fliegenklatsche
zu segnen.
Andreas
DAUM als der Pharao lieferte weder sängerisch noch schauspielerisch eine
irgendwie bemerkenswerte Leistung ab, und Sven EHRKEs Rolle als ein Bote
war zu klein, um etwas über ihn sagen zu können.
Und
schließlich Yamina MAAMAR als Aida. Vor allem am Anfang war sie ziemlich
kraftlos; ihre Arie einfach nur langweilig; ihr Gesang ist unauffällig,
ihr Spiel wenig überzeugend. Ab dem zweiten Akt wurde sie zwar immer besser,
aber Begeisterungsstürme wird sie so nie auslösen.
Nun
noch zu den wenigen freudigen Überraschungen:
Margaret
Rose KOENN als die Priesterin durfte von sich behaupten im ersten Akt
die Einzige zu sein, der es gelang das Theater auszufüllen, während die
meisten anderen Sänger im Orchester untergingen.
Bastian
EVERINK als Amonasro war sicherlich der beste Sänger auf der Bühne. Er
spielte wirklich überzeugend und sang mit der Ausdruckskraft, die mir
bei den meisten Sängern an diesem Abend so sehr fehlte.
Yanyu
GUO als Amneris gelang es ab Akt zwei, die Aida völlig in Grund und Boden
zu singen. Auch wenn sie den ersten Akt brauchte, um sich einzusingen,
füllte sie danach mühelos das Theater, selbst mit den leisen, teilweise
gegen den Boden gesungenen Tönen im vierten Akt. Auch schauspielerisch
brachte sie eine Glanzleistung auf die Bühne. Von einer wirklich ekelhaft
hochnäsigen Prinzessin im zweiten Akt zu einer bittenden Verzweifelten,
deren Flehen Steine erweichen könnte, im Vierten.
Der
CHOR und EXTRACHOR unter André WEISS war mal wieder eine Freude, besonders
in der Gerichtsszene im vierten Akt, auch wenn diese eindrucksvoller gewesen
wäre, hätte man nicht die Schatten des Chors an der Rückwand der Bühne
gesehen. Zum
ORCHESTER unter Lukas BEIKIRCHER gibt es wenig zu sagen.
Eine
Kritik geht noch an Rüdiger SCHILLIG (Übertitel): Es wäre doch hilfreich
zu wissen, dass mit dem italienischen Wort "larva" meistens Gespenster
gemeint sind…
Zusammenfassend
würde ich dem Staatstheater von weiteren Kooperationen mit den Theatern
Chemnitz abraten, vor allem wenn das bedeutet, daß lächerliche Inszenierungen
ohne einen weiteren Gedanken übernommen werden. NG
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