Wenn
ausverkaufte Vorstellungen ein gutes Vorzeichen sind, dann ist Wahrsagerei
wohl doch begrenzt möglich…
John
DEW ist eine recht unaufwendige Inszenierung gelungen, die aber gelegentlich
in den Kitsch abrutscht. Das Bühnenbild (Heinz BALTHES) besteht eigentlich
nur aus einer Brücke, einer Tribüne im zweiten Akt und einem dekorativ
in der Mitte der Bühne stehenden Bett im Dritten. Ständig präsent waren
eine große Menge von der Decke hängender Glühbirnen. Welchen Sinn diese,
abgesehen von der Erhellung der Bühne, noch haben, bleibt mir allerdings
verschlossen.
Die
Kostüme (José-Manuel VÁZQUEZ) könnten aus einem Laden für Kinderkostüme
stammen, so sehr sieht gerade der völlig einheitlich gekleidete Chor nach
europäischen Klischeevorstellungen aus. Dew liebt Farbzuordnungen: Chinesen
tragen schwarz-rot, Kaiser und Tochter Gold, Tartaren grün. Während die
Schnitte der übrigen chinesischen Kostüme wenigstens noch etwas mit China
zu tun haben, stammt Turandots Kleid leider aus dem Land der Seltsamen
Fantasien. Und obwohl mir ja klar ist, daß die Kleidungsstücke der beiden
Exil-Tartaren Mäntel darstellen sollen, ist der Schnitt so ungeschickt,
daß mich gerade Calaf immer an das Symbol über Damentoiletten erinnert.
Das
ist aber genauso egal wie die Tatsache, daß Zurab ZURABISHVILI (Calaf)
sich bewegt wie eine Playmobil-Figur. Er singt mit einem Ausdruck und
einer Emotion, daß die Gesten nicht wirklich nötig sind. Wenn er im Finale
des ersten Akts die Minister anfleht "Laßt mich!", dann fällt es kaum
auf, daß er nicht den Ansatz eines Versuchs macht, ihre Griffe zu lösen;
diese einzige Zeile sorgt schon für Gänsehaut.
Die
Fähigkeit, so mitnehmend zu singen, scheint in der Familie zu liegen,
denn auch Thomas MEHNERT als Timur hat mich sehr beeindruckt. Während
er im ersten Akt noch ein wenig mit der Lautstärke des Orchesters gekämpft
hat, hat mich seine Klage über den Tod Liùs zu Tränen gerührt. Damit ist
er der dritte Sänger, dem das gelungen ist.
Katrin
GERSTENBERGER verkörperte eine sehr überzeugende "Todesprinzessin", der
Wandel gelang ihr dagegen nicht ganz so gut. Stimmlich war ich beeindruckt;
es gelingt ihr so mühelos den Raum zu füllen und das Orchester in Grund
und Boden zu singen. Eine etwas kleinliche Kritik geht an die Regie: Katrin
Gerstenberger ist keine auffällig gut aussehende Frau mit recht harten
Gesichtszügen, und die Kombination aus Perücke und Make-up tat keinen
Beitrag, das irgendwie abzuschwächen. Es ist völlig unverständlich, wie
sich jemand auf den ersten Blick in sie verlieben sollte. Kleinigkeit,
aber mich stört es.
Susanne
SERFLING als Liù war aber doch in der Lage gut mitzuhalten, was beeindruckende
sängerische Leistung angeht. Auch sie hat eine ausdrucksstarke Art zu
singen und bekam als Einzige spontanen Szenenapplaus.
Die
drei Minister fallen vor allem als Opfer einer übereifrigen Choreographin
(Anthoula PAPADAKIS) auf. Ihr Bewegungen erinnern an eine Mischung aus
Tai Chi, Kung Fu, Ballet und Pantomime, zusammengestellt von jemandem,
der alle vier nur vom Hörensagen kennt. Gestik und Mimik sind völlig übertrieben,
aber das Ergebnis ist lustig, auch da die drei ihr "Geblödel" bis in den
Schlußapplaus fortsetzten. Deswegen will ich mich gar nicht weiter darüber
mokieren, sondern erinnere mich lieber an Ping (David PICHLMAIER), der,
nachdem Calaf sein Rätsel gestellt hatte, hemmungslos in seine langen
Ärmel zu schluchzen begann. Sängerisch war nur Pang (Sven EHRKE) auffällig
schlecht; ich habe einen falschen Einsatz und mehrere unsichere Töne gehört.
Pong (Lucian KRASZNEC) hielt alle Erwartungen, die ich mittlerweile an
ihn habe.
Leider
waren sie Dew als Comic Relief wohl nicht ausreichend, denn auch Altoum
wird zur lächerlichen Figur. Der Wunsch "Zehntausend Jahre unserem Kaiser"
wurde wohl als Aussage verstanden, so klapprig wird er gezeigt. Musikalisch
hört man über dem Orchester nichts von ihm, aber auch das erfüllt alle
meine Erwartungen an Markus DURST.
Der
Mandarin/Henker (Oleksandr PRYTOLYUK) und die beiden Mädchen (Aki HASHIMOTO,
Niina KEITEL) waren unauffällig.
Letztendlich
sollte ich noch den CHOR unter der Leitung von André WEISS lobend erwähnen.
Gerade die ausgedehnten Chorstellen im ersten Akt waren ein Genuß. Der
KINDERCHOR, der als chinesische Engelchen mit langen Zöpfen auftrat, war
wesentlich weniger überzeugend.
Das
ORCHESTER unter der Leitung von Lukas BEIKIRCHER lieferte eine anständige
Untermalung des Ganzen, ohne bemerkenswerte Ausrutscher in die eine oder
andere Richtung.
Insgesamt
bleibt die Freude über die Musik und das leise Gefühl, das keiner der
Beteiligten die Oper so richtig ernst genommen hat.
Nora Gregor
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