Seinen
Briefen kann man entnehmen, daß Leoš Janáceks größtes Problem mit dieser
Oper die Namensfindung war. Denn er wollte ihr nicht - wie bereits bei
"Jenufa" - den Namen der weiblichen Hauptrolle geben. Für diese Aufführung
ist der Titel jedoch mehr als gerechtfertigt, da Susanne SERFLING die
Rolle der Katja so überragend spielt und singt. Für mich ist das besonders
erfreulich, da ich die Entwicklung dieser Sängerin, die ich vor knapp
zwei Jahren noch als langweilig bezeichnet hätte, quasi miterleben durfte.
Davon abgesehen, daß sie so überzeugend die Zerrissenheit ihrer Rolle
darstellen kann, gelingt es ihr meistens das Orchester zu übertönen, was
leider nicht von allen Sängern an diesem Abend gesagt werden kann.
So
beispielsweise Viola ZIMMERMANN als Barbara. Gerade in den ersten zwei
Akten ist sie bereits in der elften Reihe kaum mehr über dem Orchester
zu hören, und der Text zu ihrem, nebenbei bemerkt großartigen, Mienenspiel
ist leider nur lesbar. Erfreulich ist es, daß sie sich im Laufe des Abends
offenbar eingesungen hat, und ich in den letzten beiden Akten feststellen
durfte, daß sie doch oberhalb der Hörschwelle singen kann.
Leider
kann man nicht einmal das von Andreas DAUM als Dikoj sagen, der so schwach
anfing, daß ich es ihm schon fast positiv anrechnen muß, daß er nicht
auch noch stark nachließ. Erfreulich ist noch sein schauspielerisches
Talent, aber musikalisch bin ich eigentlich bessere Leistungen von ihm
gewohnt.
Genau
das Gegenteil kann von Norbert SCHMITTBERG als Boris Grigorjevic behauptet
werden. Während die sängerische Leistung hier überzeugend war, schien
ihm das Verb "schauspielern" so fremd zu sein, als hätte man ihm die Anweisung
auf tschechisch gegeben.
Apropos
tschechisch: Davon war an diesem Abend leider auch wenig zu merken. Die
Oper wurde vollständig auf deutsch aufgeführt, was ich schade finde. Übertitel
wurden trotzdem eingeblendet, obwohl ich überraschenderweise zugeben muß,
daß sie nur selten notwendig waren.
Ein
Sänger, der sie definitiv nicht gebraucht hätte, war Lucian KRASZNEC als
Vána Kudrjáš. Er war stimmlich wie schauspielerisch mit Abstand der Überzeugendste
der männlichen Darsteller an diesem Abend. Schon als Simon Zealotes in
"Jesus Christ Superstar" hatte er mich überrascht, vor allem als ich erfuhr,
daß er eine ganz klassische Opernausbildung hinter sich hat. Spätestens
jetzt frage mich aber, wann das Staatstheater ihm endlich größere Rollen
zuteilt.
Das
ORCHESTER unter der Leitung von Martin Lukas MEISTER brauchte leider die
Ouvertüre, um sich warm zu spielen, fand sich doch in dieser noch ein
deutlicher Fehler, der aber bereits in der Wiederholung der Phrase nicht
mehr zu hören war. Sonst meistert das Orchester die schwierige Musik Janáceks
wirklich gut - nur leider zu laut.
Schließen
wir mit der letzten freudigen Überraschung des Abends, nämlich Sonja BOROWSKI-TUDOR
als Kabanica, ebenfalls eine der ewigen Nebenrollensängerinnen des Staatstheaters,
die fast in der Lage gewesen wäre, Katja die Schau zu stehlen. Sie brachte
schauspielerisch wie stimmlich deutlich den Hausdrachen zum Ausdruck,
ohne dabei schrill oder hysterisch zu klingen.
Der
Rest der Solisten - leider inklusive Tichons (Andreas WAGNER) - war eher
unauffällig.
Noch
einige Worte zur Inszenierung des Intendanten John DEW. Sein Einsatz von
Farben zur Kenntlichmachen von Zusammengehörigkeit, aber leider auch zur
Bewertung von Charakteren wurde schon in früheren Inszenierungen deutlich
und kommt auch hier wieder zur Anwendung. Tichon, die Kabanica und Dikoj
tragen schwarz; Barbara, Boris, Katja und Kudrjáš helle Farben, wobei
nicht zu übersehen ist, daß Katja ab der Liebesszene in rosa und weiß
gekleidet kommt. Die Kostüme (José-Manuel VÁZQUEZ) erinnern an die Jahrhundertwende
und sind sonst eher unauffällig.
Im
Bühnenbild (Heinz BALTHES) ist die Wolga in jedem Akt präsent; entweder
ist die Wasserfläche direkt sichtbar oder doch zumindest die Reflexion
der Wellen an der Wand. Als wenn das in Innenräumen nicht schon seltsam
genug wäre, verläßt uns aber auch die Wolgabrücke niemals. Meist legt
daher der Anblick einzelner, im Raum hängender Stahlteile nahe, daß die
Kabanows die Wahl ihrer Inneneinrichtung noch mal überdenken sollten.
Nora Gregor
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