Was
ist eine Operette? Das Programmheft der Bregenzer Festspiele zu den drei
Operetten dieses Sommers beantwortet die Frage zumindest in Teilen. Es
zitiert Stephen Sondheim, der zwar das Musical meinte, aber die Operette
nicht ausschließt: die "Summbarkeit", das Publikum mit einem Summen auf
den Lippen nach Hause zu schicken.
Als
die Festspiele in Kooperation mit Leeds, Berlin und Kopenhagen den Kompositionsauftrag
an den britischen Komponisten David Sawer gaben, vergaßen sie allerdings,
ihm diesen wichtigen Punkt mitzuteilen. Sawer erfüllte stattdessen einen
anderen wichtigen Punkt: eine zeitkritische Satire zu schreiben. Librettist
Armando Iannucci lieferte eine Geschichte um den Schweizer Schönheitschirurgen
Dr. Needlemeier, der seine entstellte Sekretärin Donna lieben würde, sähe
sie nur anders aus. Kein Problem, kurzerhand verpaßt er ihr das Gesicht
seiner schönen Frau Lania und gibt der das Gesicht Donnas. Robert, der
Verlobte von Needlemeiers Tochter entspricht auch nicht den ästhetischen
Anforderungen der Familie und wird an allen Ecken und Enden so aufgehübscht,
daß er sich, ganz Narziss, in sich selbst verliebt, was Needlemeiers Tochter
dazu bringt, sich von ihrem Vater ebenfalls "auf Robert" stylen zu lassen.
Darüber hinaus bastelt Needlemeier an einem Elixier für ewige Jugend,
dem er zum krönenden Abschluß den Hoden eines berühmten Hollywoodstars
einverleibt. Am Ende all dieses Chaos' entscheiden sich die vielen Kunden
Needlemeiers, die alle entweder wie Robert oder wie Donna aussehen, doch
lieber die Fehler ihrer selbst und die ihrer Partner zu akzeptieren: wir
sind nicht perfekt, na und?
In
den ersten beiden Akten läuft die stark perkussive und bläserlastige Musik
auch noch gegen den Gesang, nach der Pause gehen beide besser zusammen.
Einprägsame Melodien vermißt man allerdings auch weiterhin, Tänze werden
in Ansätzen inszeniert, aber die Musik dazu fehlt. Das Stück wirkt wie
vom Blatt inszeniert, was bei einem Regisseur wie Richard JONES, der doch
gerade in München eine sehr freie Interpretation des "Lohengrin" abgeliefert
hat, sehr wundert. Stimmung will im Publikum, außer bei den obligaten
Lachern beim Thema männliches Geschlecht, nicht aufkommen. Kein tänzelndes
Summen beim Verlasen des Theaters ist erkennbar.
An
Richard FARNES, der dieses Gastspiel der Opera North, Leeds dirigiert
und seinem ORCHESTER kann es nicht liegen, ebenso wenig wie an den Sängern,
von denen Mark STONE als Hollywoodstar, Heather SHIPP als (echte) Donna
und Janis KELLY als Lania besonders positiv hervorstechen.
Vielleicht
ist es wirklich schwer, heute eine Operette zu schreiben, vielleicht hat
man mit diesem Label auch einfach Erwartungen geweckt, die dieses Werk
überfordert haben. Als satirisches Musiktheater zu einem aktuellen Thema
in einer nicht so plakativen Regie, könnte es vielleicht bestehen. KS
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