Eigentlich
ist der König glücklich. Tollt er doch wie ein junger Hund über die hohen
Stufen, die die Bühne beherrschen (Bühne Raimund BAUER), wirft sich gar
wie ein solcher auf den Rücken vor Wonne und kann die Finger, vor allen
Leuten, nicht von seiner Frau lassen. Aber diese Sinnlichkeit ("Sinn &
Sinnlichkeit" sind das Motto heuer in Bregenz) wird gestört als dem König
ein Hirte vorgeführt wird, der eine neue Religion verkündet. Auch diese
ist sinnlich, sinnlicher als alles was der König kennt, und Roxane, die
Königin, verfällt dem Neuen sofort. Die Priester hingegen fordern den
Tod des Hirten. Als es zur Gerichtsverhandlung kommt, kann auch König
Roger seine Faszination nicht verhehlen, Regisseur und Festspielleiter
David POUNTNEY bringt hier den fast zwangsläufigen Bezug zu Syzmanowskis
Homosexualität, aber nur Volk und Königin folgen willig dem lustvollen
Hirten. Am Ende finden der König und sein Vertrauter Edrisi die Wahnsinnigen,
doch zu spät. Der Hirte, nun als Gott Dionysos, tötet genußvoll Roxane,
die anderen begehen kollektiv Selbstmord, selbst der alte Edrisi legt
sich zum Sterben nieder. Nur Roger bleibt und bietet der aufgehenden Sonne
sein Herz dar.
Pountneys
extreme Deutung, daß Rausch nur im Tod enden kann, ist in klare Bilder
gegossen. Die steilen Stufen, einer Homoki-Inszenierung würdig, werden
in immer neues farbig klares, eher kaltes Licht getaucht (Licht Fabrice
KEBOUR), die Choreographie (wirkungsvoll von Beate VOLLACK) füllt den
Raum und die ständige, fast akrobatische Bewegung der Sänger verhindert
ein oratorienhaftes Von-der-Rampe-Singen. So entstehen starke Eindrücke,
die an Pountneys "Moses und Aron"-Inszenierung in München erinnern, nur
viel schlichter und klarer.
Karol
Szymanowskis Oper, 1926 uraufgeführt, bietet alle Qualitäten musikalischen
Expressionismus'. Der Rausch wird greifbar, strömt über die Bühne, vermittelt
den Stoff sinnlich (auch hier das Motto). Sir Mark ELDER am Pult der WIENER
SYMPHONIKER gelingt diese Vermittlung eindrucksvoll.
Scott
HENDRICKS in der Titelrolle genießt sichtlich den sportlichen Teil seiner
Rolle, Will HARTMANN, fast ganz in Gold, gibt den Hirten/Dionysos mit
der nötigen Überlegenheit und strahlendem Tenor. Der Edrisi von John GRAHAM-HALL
hat die Brüchigkeit des alternden Philosophen, und Olga PASICHNYK singt
die glatzköpfige Königin (Kostüme Marie-Jeanne LECCA) strahlend leidenschaftlich.
Auch
der POLNISCHE RUNFUNKCHOR KRAKAU und das SÄNGERENSEMBLE DER STADT KATOWICE
beeindrucken durch leuchtenden Klang.
Pountneys
Vorliebe für slawische Musik wird auch im nächsten Jahr ihre Wirkung zeigen,
wenn, wiederum in seiner Regie, Mieczyslaw Weinbergs völlig unbekanntes
Werk "Die Passagierin" gezeigt wird. KS
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