Eigentlich
hätte Ernst Kreneks Oper "Karl V." schon 1934 in Wien uraufgeführt werden
sollen. Die Nazis wußten das allerdings zu verhindern, und die Uraufführung
fand 1938 in Prag statt; Krenek ging danach ins Exil, aus dem er, trotz
seines langen Lebens, nicht mehr zurückkehrte.
Die
Oper ist eine Rückschau Kaiser Karls auf sein Leben und bietet daher einen
par force Ritt durch die europäische Geschichte des 16. Jahrhunderts.
Karl wollte Europa und die Kolonien als ein Reich, unter einem Herrscher
im Sinne der katholischen Kirche errichten und beherrschen. Viel ist passiert
in dieser Zeit, soviel, daß Regisseur Uwe Eric LAUFENBERG und sein Bühnenbildner
Gisbert JÄCKEL gleich ein Lehrstück aus dem Ganzen gemacht haben, welches
konsequenterweise in einem Klassenzimmer spielt, mit Karl als Oberlehrer.
Und da sich beim Thema Weltreich und angesichts der Entstehungszeit die
Parallele zur Diktatur der Nazis geradezu aufzwingt, steht das Klassenzimmer
in den dreißiger Jahren in Deutschland, und immer wieder dient die Schultafel
als Projektionsfläche für Videoeinspielungen von Bildern der Hitler-Diktatur.
Gerechtfertigt
und legitim, und vom Libretto des Komponisten in feinfühliger Ahnung getragen,
trotzdem eher spröde, die hölzernen Schulbänke und die Landkartenständer.
Der zweite Teil beginnt mit Karl auf dem Sterbebett, und hier zeigt sich,
was phantasievolle Bilder ausdrücken können. Der Kaiser liegt in einem
dunklen leeren Raum schon wie aufgebahrt auf einem schwarzen Sockel. Nur
zwei Geistliche sitzen etwas abseits auf Holzstühlen. Von oben senkt sich
während des Orchestervorspiels eine riesige schwarze Kugel auf den Sterbenden
herab, droht ihn zu erdrücken. In letzter Minuten treten die Geistlichen
hervor und wenden das Unheil ab. Karl in völliger Abhängigkeit der katholischen
Kirche.
Und
überhaupt die Musik. Karl V. ist konsequent in Zwölftontechnik komponiert,
eine Tatsache, die Krenek über weite Stecken vergessen läßt, so emotional
und sinnlich ist seine Musik. Oft wird gesprochen in dieser Oper. So ist
die Partie des jungen Beichtvaters eine Sprechrolle, hier expressiv dargeboten
von Moritz FÜHRMANN.
Bregenz
bietet für den ausgefeilten gesungenen Text Übertitel, die bei der Besetzung
aber fast nicht nötig waren. Die immens anspruchsvolle Partie des Karl
wird von Dietrich HENSCHEL mit viel Körpereinsatz gespielt und trotz Ansage
tadellos textverständlich und ausdrucksstark gesungen. Aus dem Ensemble
sticht ebenfalls Nicola BELLER-CARBONE als Karls Schwester Eleonore mit
großem Tonumfang hervor, wie auch Christoph HOMBERGER, der als Francisco
Borgia nicht nur singen, sondern auch fulminant stottern muß Auch die
Sprechrolle des Papst Clemens VII. gilt es für ihn zu gestalten. So müssen
viele Darsteller in mehrere Rollen schlüpfen, wie Thomas Johannes MAYER
als Martin Luther, sowie als Sultan Soliman; Chariklia MAVROPOULOU als
Juana, Karls Mutter, aber auch als einer der vier Geister (neben Katia
VELLETAZ, Katrin WUNDSAM und Cassandra MCCONNELL). Als einer der wenigen
darf sich Matthias KLINK ganz dem schönen französischen König Franz I.
widmen.
Viel
europäische Geschichte findet statt in diesen zweidreiviertel Stunden,
und wenn man Krenek überhaupt einen Vorwurf machen möchte, so den, einen
eher spröden Stoff gewählt zu haben, trotz der Parallelen zur Entstehungszeit.
Als
Faszinosum bleibt die erstaunliche Musik, von Lothar KOENIGS und den WIENER
SYMPHONIKERN eindrücklich zum Leuchten gebracht. Wieder einmal kann Bregenz
mit Mut zum unbekannten Werk punkten. Im nächsten Jahr steht dann "Król
Roger" von Karol Szymanowski auf dem Programm. KS
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