Während
man sich im Festspielhaus Benjamin Brittens letzter Oper widmet, kann
man sich im Theater am Kornmarkt Brittens erste Oper ansehen. 1941 wurde
"Paul Bunyan" mit so wenig Erfolg uraufgeführt, daß Britten die Oper,
die hier treffend als amerikanische Operette bezeichnet wird, für die
nächsten dreißig Jahre zurückzog. Dabei gibt es dafür gar keinen Grund.
Mit dem feinsinnig spritzigen Libretto des jungen W. H. Auden und einer
Melodienfülle, die später in noch ausgeprägterer Form für die Musik Brittens
stehen sollte, ist "Paul Bunyan" ein Spaß, bei dem einem das Schmunzeln
so manches Mal im Halse stecken bleibt. Ähnliches gelingt in den USA später
nur noch Steven Sondheim.
So
ist z. B. der Titelheld so groß, daß er gar nicht auf die Bühne paßt und
nur als Sprechstimme aus dem Off kommt (ein sonor klingender Helmut KRAUSS).
Dieser Paul Bunyan ist dazu auserkoren, Amerika für die Menschen bewohnbar
zu machen, und dazu heuert er sich eine Truppe Holzfäller aus aller Herren
Länder, einen Journalisten, der widerwillig den Buchhalter macht, zwei
unfähige Köche, einen Hund und zwei Katzen an. Diese Gruppe gilt es zu
kontrollieren und zu motivieren. Dabei kommt es zu allerlei Reibungen,
wie einer offenen Meuterei des ansonsten ruhigen Vorarbeiters Hel Helson,
die von seinen schwedischen Landsleuten tatkräftig angefeuert wird oder
zu komischen Verwicklungen, als die groben Holzfäller sich allesamt in
Pauls Tochter Miss Tiny verlieben.
Wäre
da nicht der exzellente wunderbar komische aber liebevoll punktgenaue
Text, man würde an mancher Szene verzweifeln. Leider wird in Bregenz auf
Deutsch gesungen, denn erstens selbst wenn die Übersetzung von keinem
geringeren als Erich Fried stammt, so kann sie das Original nicht ersetzen.
Und zweitens gibt es so keine Übertitel, die dringend nötig gewesen wären,
da die überwiegend jungen Sänger oft nicht textverständlich sind. Ihre
Begeisterung allein hilft da nicht weiter.
Die
Inszenierung von Nicholas BROADHURST bedient eher die komisch naive Schiene,
vom Bühnenbild der BROTHERS QUAY darin unterstützt. Den Hintergrund bildet
ein breiter großer stilisierter Baum in weiß mit psychedelisch geschwungenen
Jahresringen. Er ist, aufgeklappt, die Heimstatt der alten Bäume im Prolog,
aber auch das Camp der Holzfäller. So bilden die Schweden mit wollenen
Mützen (Christian SCHERLER, Xavier ROUILLON, Arnaud ROUILLON und Michael
SCHOBER), Fido, der Hund im Sporthemd und mit Boxhandschuhen (Andrea BOGNER),
die beiden sehr eleganten Katzen Moppet (Heather SHIPP) und Poppet (Bonita
HYMAN) im Minirock und mit Cheerleaderbommeln, die beiden unfähigen Köche
Sam Sharkey (Markus FRANCKE) und Ben Benny (James MARTIN), Hot Biscuit
Slim (Juan Carlos FALCON), der nicht nur gut kochen kann sondern auch
das Herz von Miss Tiny (Gillian KEITH) gewinnt und Johnny Inkslinger (Roberto
GIONFRIDDO) diese ungewöhnliche Gemeinschaft, die America aufbauen soll.
Ein Erzähler (Markus POL) verbindet dabei die einzelnen Szenen, wie in
einer Nummernrevue. Anklänge an Brecht/Weill sind beim frühen Auden/Britten
wohl kein Zufall.
Musikalisch
schöpft Britten aus dem Vollen. Viele Melodien und ein schon gutes Gespür
für einzelne Situationen weisen den Weg, wenn auch hier noch in dem Stoff
angemessener vergröberter Form. Bei einem so ausgewiesenen Britten-Experten
wie Stuart BEDFORD wird all das voll ausgespielt und das SYMPHONIEORCHESTER
VORARLBERG geht mit. Eine gelungene und anschauliche Ergänzung zum diesjährigen
Britten-Schwerpunkt, gerade auch im Vergleich zum so völlig anderen "Death
in Venice". KS
P.S.:
Die schönste Spitze der Inszenierung kommt am Schluss, wenn Paul sich
von den seinen verabschiedet und verkündet: Amerika ist, was ihr aus ihm
zu machen erwählt. Nach diesen Worten tut sich der Baum abermals auf,
die Jahresringe werden zum Barcode, über den, sowie über Darsteller und
Publikum, ein Laser schweift.
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