Der
neue Intendant der Bregenzer Festspiele David POUNTNEY setzt in seiner
ersten Saison die gute Tradition fort, selten gespieltes im Festspielhaus
zu zeigen, neben den Publikumslieblingen auf der Seebühne. So werden heuer
neben der „West Side Story“ zwei frühe Einakter von Kurt Weill gebracht.
„Der
Protagonist“ stammt aus dem Jahr 1926 und zeigt eine Unentschlossenheit
in der Handlung, wie der Musik. Letztere ist wenig eingängig, wirkt heterogen,
fast unfertig. Auch die Geschichte überzeugt eher als Klamotte, denn als
Musiktheater. Eine Schauspieltruppe zur Zeit Elisabeths der Ersten von
England soll in einem Landgasthof vor dem Herzog spielen. Ungewöhnlicherweise
ist eine Frau mit von der Partie, undenkbar, eine Frau auf der Bühne!
Sie stellt sich aber als die Schwester des Protagonisten heraus, der ihr
in einem fast inzestuösen Verhältnis verbunden ist. Nun überschneiden
sich die Stränge, während der Herzog zunächst eine pantomimische Komödie
will, schwenkt er später auf eine Tragödie um. Das Umschreiben des Stückes
ist schnell getan, statt Versöhnung der einander betrügenden Eheleute,
bringt nun der Mann die Frau um. Zugleich muß der Protagonist aber feststellen,
daß seine Schwester einen Liebhaber hat, was ihn in den Wahnsinn treibt
und dazu, seine Schwester umzubringen. Sowohl Komödie wie auch Tragödie
werden auf der Bühne voll ausgespielt, natürlich ohne Gesang.
Der
Ehebruch wird von Regisseur Nicolas BRIEGER in der Manier holprigen Straßentheaters
bis zum Exzeß ausgespielt, und ist die Verwandlung der männlichen Schauspieler
in Frauen vielleicht zunächst noch zum Lachen (allerdings in jedem „Sommernachtstraum“
auch nicht schlechter), bleibt das Ganze in der abgewandelten Wiederholung
doch recht fad. Da helfen auch die von der Regie eingefügten Dialoge nichts,
die zwar ganz witzig sind, das Stück aber nur noch mehr auseinander reißen.
Selbst die große Spielfreude der Akteure, wie Gerhard SIEGEL in der Titelrolle,
Catherine NAGLESTAD als auf Marlene Dietrich getrimmtes unterkühltes Zwitterwesen
oder Otto KATZAMEIER als kauziger Wirt können letztlich das Stück nicht
retten.
Nur
ein Jahr später als der „Protagonist“ wurde „Royal Palace“ uraufgeführt.
Aber welch ein Weg bis hierhin! Hier ist Weill wie man ihn kennt. Wie
er mit der Musik spielt, deren Schrägheit Programm wird, in die Jazz seinen
Eingang findet, aber auch der Tango, ganz Weill, nicht nur melancholisch,
sondern gar als Todesmusik eingesetzt. Wie beim „Protagonisten“ gibt es
auch hier längere rein instrumentale Passagen, die eine Herausforderung
an jeden Regisseur darstellen. Eine schöne Frau ist mit ihrem Ehemann,
dem Geliebten von gestern und dem Geliebten von morgen in einem Grand
Hotel an einem norditalienischen See. Der pure Luxus herrscht, aber die
müde Frau stellt ihren Männern die Aufgabe, ihr innerstes Wesen zu erkennen.
Nun gilt es, die drei Szenen des „reichen Kontinents“, des „Himmels unserer
Nächte“ und der „ewigen Natur“ zu bebildern, da diese, wie gesagt, ohne
Worte auskommen müssen.
Brieger
und sein Bühnenbildner Raimund BAUER, sowie der Licht Designer Alexander
KOPPELMANN bedienen sich hier, wie auch von Weill schon damals angedacht,
filmischer Mittel. Die Firma fettFilm hat dabei alle Register der Videokunst
des beginnenden 21. Jahrhunderts gezogen und wundervolle Projektionen
geschaffen, von auf Tabletts projizierten kulinarischen Genüssen, über
Flüge über die Skyline New Yorks im Stile der zwanziger Jahre und auf
die Personen geworfene bewegliche Bilder. Trotz der Vielfalt verfällt
das nie in hektisch beliebige Videoästhetik. So entstehen mit „Royal Palace“
musikalisch, wie optisch kurzweilige 40 Minuten mit dem Schluß, daß natürlich
keiner der Männer das Wesen der Frau erkennt und diese, aller Eindrücke
und Wesen überdrüssig, sich im Bergsee ertränkt.
Bei
all der Bilder- und Musikflut bleibt leider die Textverständlichkeit zuweilen
auf der Strecke. Da haben Catherine Naglestad als lebensmüde Frau und
Gerhard Siegel, Otto Katzameier und Peter BORDING als die drei Männer
kaum eine Chance.
Yakov
KREIZBERG leitet die WIENER SYMPHONIKER sicher durch alle Höhen und Tiefen
der Musik und demonstriert damit auch Stärken und Schwächen dieses jungen
Komponisten gleichermaßen. KS
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