Das
Konzert von Philippe JAROUSSKY wurde mit diesen Worten angekündigt! Völlig
richtig, denn es war ein wahres Feuerwerk! Nicht nur daß der Countertenor
Jaroussky hervorragend und sehr musikalisch singt, er besitzt auch ungewöhnliche
Bühnenpräsenz. Die halsbrecherischen Koloraturen meistert er mit nachtwandlerischer
Sicherheit, höchster Präzision und perfekter Phrasierung. Bisweilen hat
man den Eindruck, daß er zwischen den irren Läufen nicht atmet (wie ein
Taucher, der minutenlang unter Wasser bleibt). Da die Stimme nicht trocken
wirkt, sondern sehr wohlklingend und ausgesprochen angenehm ist, ist Jaroussky
ein richtiges Naturphänomen. Das Grand Théâtre von Victor Louis aus dem
Jahre 1780 ist natürlich ein idealer, prächtiger Rahmen für dieses Feuerwerk.
Wie
viele seiner Kollegen, nimmt sich Jaroussky mit großem Erfolg der wenig
gespielten Werke des Barocks an, diesmal Vivaldis und Händels. Nächstes
Frühjahr wird er mit Marie-Nicole Lemieux eine Tournee mit Monteverdi,
Cavalli und Barbara Strozzi unternehmen. Er verfolgt damit eine sehr verdienstvolle
Arbeit, einerseits der Erziehung des Publikums, anderseits der Aufnahme
und Auswahl aus dem riesigen Repertoire. Denn unter den 42 Opern Händels
und den mehr als 50 (meist nur teilweise) erhaltenen Opern Vivaldis (von
94 (!) in seinem eigenen Werksverzeichnis) ist ja nicht alles Gold, was
glänzt. Beide Komponisten - ebenso wie Porpora, Mayr, Leo, Graun, etc.
- schrieben vor allem Auftragswerke für kirchliche und weltliche Fürsten,
aber auch für bestimmte Kastraten, wie Cafarelli, Carestini, Farinelli,
Nicolini (der 1. Rinaldo), Senesino usw. Viele dieser Werke der opera
seria sind nicht unbedingt interessant und schwer aufführbar, selbst wenn
man die, oft sehr langen, secco Rezitative kürzt.
Es
ist Jarousskys Verdienst, hier zu sichten, denn bisweilen findet er richtige
Juwelen. So kann er sich sozusagen die Rosinen aus einem bisweilen trockenen
Kuchen heraus holen. Dies gilt ja auch für die zahllosen Concerti Vivaldis,
von denen die besten und brillantesten ja heute schon als Klingeltöne
für Mobiltelefone verwendet werden. Außerdem waren Vivaldi und Händel
nicht alleine, denn die klassische opera seria zog sich bis ans Ende des
18. Jahrhunderts, mit Gluck, Jomelli, Pergolesi, Paisiello, Die letzte
bedeutende Oper dieser Art ist wohl Mozarts "La Clemenza di Tito".
Begleitet
wurde Philippe Jaroussky vom Ensemble APOLLO'S FIRE, unter der Leitung
der Gründerin, der Cembalistin Jeanette SORELL. Das stehend spielende
Streicher-Ensemble aus Cleveland (4, 3, 2, 2, 1, Theorbe, Cembalo) spielt
zwar ausgezeichnet und mit großem Einsatz, hat jedoch einen etwas metallischen
Klang, trotz Barock-Celli und Theorbe.
Zur
Einleitung gab es ein sehr differenziert gespieltes Concerto grosso (RV
511) von Vivaldi. Es folgte eine fulminante da-capo-Arie aus Händels Oreste,
"Agitato da fiere tempeste", gefolgt von einem Rezitativ (von ganzen Ensemble
gespielt, nicht nur Generalbaß) und Arie aus "Parnasso in Festa", "Ho
perso il caro ben". In dieser Largo-Arie konnte Jaroussky seine ganze
Palette der Phrasierung zeigen.
Als
Zwischenspiel spielte der Violinist Olivier BRAULT Vivaldis Concerto Tempesta
di mare (RV 433) mit viel Einsatz und Ausdruck. Das Werk folgt zwar dem
klassischen System Presto - Largo - Presto, aber das Largo ist eigentlich
nur eine Kadenz. Der Solist erhielt natürlich großen Beifall.
Den
1. Teil des Konzerts beschlossen zwei Arien Händels: "Se potessero i sospiri
miei" aus seiner letzten Oper (1740) "Imeneo", von Jaroussky sehr innig
und ausdrucksvoll interpretiert, gefolgt von "Con l'ali di costanza",
aus "Ariodante", beginnend mit einem kurzen Rezitativ, gefolgt von einer
stupenden Da-Capo-Arie, wo in der Wiederholung noch zusätzliche Verzierungen
eingeführt werden. Das Haus stand Kopf!
Nach
der Pause spielte Jeanette Sorell - diesmal sitzend - zwei Chaconnen für
Cembalo, davon eine aus Händels früher Oper "Il Pastor fido", die eine
Tanzszene der Terpsichore zu sein scheint. Aus Vivaldis "Catone in Utica"
sang Jaroussky "Se mai senti spirati sul volto", eine sehr ausdrucksvolle,
subtile Arie mit ppp Ausklang, in der die tiefen Streicher durchwegs pizzicato
und das ganze Ensemble ohne Noten spielte.
Als
Überleitung übertraf sich Olivier Brault in Vivaldis bekannten Concerto
grosso "La Follia", mit seinem brillantem Presto-Finale, ein richtiger
Teufelstanz. Jaroussky beschloß den offiziellen Teil mit zwei Vivaldi-Arien:
"Vedro con mio diletto" aus "Giustino". Zwar in der A-B-A Form, ist die
Arie eher ein langes Arioso und das ganze Ensemble spielte hier pizzicato.
Auch hier ist die Wiederholung noch mehr verziert als das erste Mal. Die
Schluß-Arie "Frà le procelle" aus "Tito Manlio" beginnt mit einer terremoto-Einleitung,
gefolgt von einer Presto-Bravourarie, wo der Star seine ganze Kunst an
Läufen, Trillern und Koloraturen zeigen konnte. Unglaublich!
Vor
der "standing ovation" des gesteckt vollen Hauses mußte Jaroussky natürlich
Zugaben singen. Zuerst eine für Farinelli komponierte Trauer-Arie von
Porpora, gefolgt von einer Presto-Arie Händels und zum Schluß "Ombra mai
fu" aus Serse. Ein Triumph für den jungen Sänger mit dem Engelsblick!
wig.
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