Als
zweite Eigenproduktion der Saison wurde in Bordeaux ein Repertoirewerk,
"Tosca", gewählt. Mit zwei guten, internationalen Besetzungen konnte das
Opernhaus einen schönen Erfolg verzeichnen.
Dieser
Erfolg ist vor allem zwei Personen zu danken: in erster Linie dem Dirigenten
Kwamé RYAN, GMD in Bordeaux, der sein Haus-Debüt als Operndirigent in
Bordeaux feierte. Nach seinen erfolgreichen Konzerten seit anderthalb
Jahren bewies der aus Jamaika stammende kanadische Dirigent, daß die Oper
ebenso sein Element ist wie der Konzertsaal. Schon in den ersten wuchtigen
Akkorden wußte man, daß er den typischen Verismus Puccinis herausholen
und die Verbindung zur Bühne perfekt vermitteln konnte. Das ORCHESTRE
NATIONAL BORDEAUX AQUITAINE schwelgte im Puccini-Klang. Das "Te Deum"
wurde vom CHOR DER OPÉRA NATIONAL DE BORDEAUX und dem KINDERCHOR des lokalen
Konservatoriums unter der Leitung von Jacques THIBAUD sehr gut gesungen.
Die
zweite Hauptperson des Erfolges war der Regisseur (und Beleuchter) der
Aufführung, Anthony PILAVACHI, ein Mustereuropäer: in Zypen geboren, mit
italienischem Namen und irischem Paß, hat er in London und Paris studiert
und wirkt vor allem in Deutschland, wo er vor zehn Jahren mit Kwamé Ryan
gearbeitet hatte. Er hat bewußt die religiösen und politischen Aspekte
des Librettos betont - aber ohne Exzesse. Die offensichtliche Übertragung
in die Mussolini-Zeit, mit aktuellen Anspielungen, war aber nicht störend.
Die
äußerst gelungenen Bühnenbilder von Markus MEYER waren dabei sehr hilfreich.
Im 1. Akt ist das Seitenschiff von Sant'Andrea del Valle durch schwarze
Platten abgegrenzt, so daß nur eine riesige kreuzförmige Aussparung Licht
einläßt und den Blick auf Scarpias Prachtgemach des 2. Akts frei gibt;
eine gute Idee. Rechts ein Marien-Bild, das aber eher an Grünewald erinnerte,
links ein Keller-Eingang zur Kapelle der Attavanti. Das Gemach Scarpias
wird auf den drei Wänden von einem flämischen Riesengemälde "Der Sturz
der bösen Engel" dominiert. Die beiden Seitenwände begrenzen auch die
Bühne des 3. Akts, mit eines Terrasse des Castel Sant'Angelo im Hintergrund,
von der sich Tosca am Schluß in den Graben stürzt. Ebenso waren die Kostüme
von Pierre ALBERT im Stil der dreißiger Jahre ein passender Rahmen der
Handlung.
Einige
gute Ideen: Toscas Auftritte im 1. und 3. Akt begleitet immer eine Meute
blitzender Fotografen. Sehr eindrucksvoll der Auftritt Scarpias im 1.
Akt in einer Uniform eines Polizei-Generals. Cavaradossi tritt in den
beiden ersten Akten in einem modischen Flanell-Anzug auf, im 3. Akt aber
in Handschellen und orangener Sträflingskluft. Etwas kitschig waren die
Engelsflügel der Ministranten, die das "Te Deum" sangen.
Sehr
erwartet war die Tosca von Catherine NAGLESTAD. Die amerikanische Sopranistin
dominierte die Rolle und spielte treffend die eifersüchtige hysterische
Diva. Gegen Scarpia verteidigte sich wie eine Löwin. Stimmlich war sie
hervorragend, mit prächtiger Projektion der Stimme. Vor allem "Vissi d'arte"
gelang ihr großartig, wunderbar phrasiert und sehr ausdrucksvoll, kniend
auf dem Sofa gesungen.
Jean-Philippe
LAFONT gab dem Baron Scarpia alle Züge des geilen, bigotten, niederträchtigen
Lokal-Diktators, der alle um sich tyrannisiert und nachher wegwirft. Eine
große Charakterstudie! Stimmlich ist Lafont nach wie vor höchst präsent,
wie er im "Te Deum", sowie in der Konfrontation mit Tosca im 2. Akt zeigte.
Nicht
ganz so beeindruckend war der Mario Cavaradossi von Alfred KIM. Der Koreaner
war zu Beginn hörbar indisponiert, aber überwand dies mit einem fulminanten
"Vittoria!". Im 3. Akt erschien er gefesselt in orangener Gefängniskluft
und bot eine sehr gefühlvolle Fassung von "E lucevan le stelle", die mit
Recht applaudiert wurde. Er spielte den patriotischen Maler ungezwungen
und überzeugend.
Auch
die Comprimari-Rollen waren gut besetzt. Yuri KISSIN lieh dem Angelotti
seinen schönen Baß und gab der Rolle die passende Tragik. Der Mesner von
Jean-Phhilippe MARLIÈRE, der auf die "Cani di volterriani" schimpfte,
war stimmfest und passend bigott. Antoine NORMAND war ein unterwürfiger,
vor Angst zitternder Spoletta ("Sant'Ignazio m'aiuta!"), der am Schluß
der Oper die Uniform Scarpias des 1. Akts anzieht. Der Ring schließt sich.
Den Sciarronne in faschistischer Miliz-Uniform gab David ORTEGA passend.
Als Schließer von Sant'Angelo schrieb Bernard MANSENCAL den Text der Arie
des gefesselten Mario auf, der vor ihm saß.
Ein
sehr schöner Abend, an dem alle Künstler vom Publikum stürmisch gefeiert
wurden. wig.
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