Es
ist schon eigentümlich, eine Oper, die man sehr gut kennt, in einer anderen
Sprache zu hören. Bei der "Fledermaus" ist das besonders mühsam, weil
man ja mitsingen könnte, da man alle Ohrwürmer auf Deutsch kennt. Allerdings
basiert die Geschichte auf einem französischen Vaudeville "Le Reveillon"
von Meillac und Halévy, den beiden erfolgreichsten Reimeschmieden Offenbachs.
Da die deutsche Adaptierung von Haffner und Genée unautorisiert gemacht
und 1874 im Theater an der Wien uraufgeführt worden war, war die "Fledermaus"
jahrzehntelang in Paris verboten, während sie weltweit gespielt wurde.
Erst nach Meillacs Tod, willigte der steinalte Halévy ein, die Raubfassung
zuzulassen, und erst 1904 wurde die größte aller Operetten im Théâtre
des Variétés in Paris gespielt. Mahler hatte die "Fledermaus" bereits
zehn Jahre vorher an der Wiener Hofoper dirigiert!
Die
Inszenierung aus Toulouse stammt von Jean-Louis GRINDA und ist bereits
in anderen Städten gezeigt worden. Die Regie hat einige gute Ideen, so
der riesige Spiegel, der während der ganzen Aufführung im Zentrum der
Handlung thront und der verlotterten Gesellschaft sozusagen "einen Spiegel
vorhält". Die Bühnenbilder mit schönen, dezenten Vorhängen von Rudy SABOUNGHI
und die sehr farbigen Kostüme von Danièle BARRAUD paßten nahtlos in Grindas
Regiekonzept, der die Künstler ausnehmend gut durch die turbulente Handlung
führte. Z. B. ließ er zu Beginn des 2. Akts die sehr kleine Adele sich
auf der Bühne vor dem Spiegel in das viel zu lange Kleid ihrer Herrin
umkleiden, bevor die Drehbühne in Orlofskys Palais umschwenkte. Laurent
CASTAINGT beleuchtete bestens und ließ bei Orlofsky und am Schluß im Gefängnis
ein Feuerwerk mit Raketen über die Bühne abschießen.
Dazu
tanzte das BALLET DE L'OPÉRA NATIONAL DE BORDEAUX "Unter Donner und Blitz"
zu einer sehr französischen Can-Can- Choreographie von Laura SCOZZI. Auch
das Ballett bei Orlofsky, in dem die Tänzer die Champagner-Flaschen auf
ihren russischen Pelzmützen trugen, war sehr gelungen und natürlich ein
großer Publikumserfolg!
Unter
der Leitung des Wiener Dirigenten Thomas RÖSNER spielte das ORCHESTRE
NATIONAL BORDEAUX-AQUITAINE mit Schwung die prickelnde Musik. Obwohl die
Ouvertüre noch etwas hölzern wirkte, erfing sich das Orchester bald nach
Alfreds Auftritt und musizierte sehr wienerisch. Im 2. und 3. Akt brillierte
der CHOEUR DE L'OPÉRA NATIONAL DE BORDEAUX (Leitung Jacques BLANC).
Die
durchwegs sehr guten Sänger waren allerdings nicht immer vorteilhaft eingesetzt.
Dies betrifft vor allem Cécile PERRIN als Caroline (Rosalinde). Diese
ausgezeichnete Sopranistin ist der Rolle hörbar "entwachsen", zumal sie
Tosca und Donna Anna, ja, sogar Senta singt und bereits vor einem Jahr
hier eine ausgezeichnete Leonore in "Fidelio" sang. Trotz der schwereren
Stimme, meisterte sie jedoch nach wie vor die Koloraturen, die Höhen des
Czardas waren aber nicht ganz sauber. Ihr Gabriel Eisenstein (Gaillardin)
war Gilles RAGON, der die Rolle mit prachtvollem, höchst kultiviertem
Tenor sang und übermütigem Temperament spielte, ein großes Vergnügen!
Sehr
gelungen war Philippe ERMELIER als Land-Notar Duparquet (Dr. Falke), der
Drahtzieher der ganzen Geschichte, den er besonders verschlagen darstellte.
Er beriet den Fürsten Orlofsky, von Nathalie STUTZMANN gut gespielt, für
ihre dunkle volle Altstimme jedoch einfach zu hoch. Die sehr geschätzte
Liedersängerin (ihre "Frauenliebe und -leben" ist großartig) hat in der
Höhe leider hörbare Schwierigkeiten. Sehr treffend war der Gefängnisdirektor
Tourillon (Frank) von Jean SÉGANI und gab mit weißer Liszt-Künstlermähne
fast Würde der zwiespältigen Rolle. Wie in den meisten "Fledermaus" Produktionen,
zündete er sich im Gefängnisakt natürlich auch eine Zigarette an und rauchte
ein Loch in die Zeitung!
Den
Tenor Alfred sang Eric HUCHET sehr gut (mit "Tosca" und "Pagliacci" Fragmenten
statt "Lohengrin" und Tamino im Gefängnis). Die junge Kanadierin Mélanie
BOISVERT war eine schnippische Adele, die ihren hübschen prickelnden Koloratursopran
sehr vorteilhaft einsetzte und mit ihrem Couplet "Mein Herr Marquis" im
2. Akt einen schönen Erfolg erntete. Ihrer Schwester Ida (die hier Flora
heißt) gab Estelle DANIIERE die richtige Mischung zwischen Vulgarität
und Snobismus. Jean-Philippe CORRE als Orlofskys Diener Ivan rauchte die
schauerlichen Papyrosi-Zigaretten aus Sowjet-Zeiten, wenn er nicht Wodka
soff.
Jean-Claude
CALON als Frosch/Leopold war hervorragend. Am Schluß endete er auf der
Vorderbühne vor dem Vorhang und war ganz überrascht, daß das Publikum
noch da ist "Mais, c'est fini! Rentrez à la maison!" Auch das noch anwesende
Orchester erstaunte ihn, und er proklamierte Sarkozys Wahl-Slogan "Travailler
plus pour gagner plus!" Natürlich tobte das Haus! wig.
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