Nach
vielen Raritäten in diesem Monat war es gut, mit etwas gewohnterer Kost
zu schließen. Eine Neuinszenierung von Gounods "Faust" im prachtvollen
Theater in Bordeaux war eine passende Gelegenheit. Diese Oper folgt dem
Goethe'schen "Faust" zwar nur in den großen Linien, aber welches Fest
für die Sänger, denn sie strotzt ja von Ohrwürmern!
Die
Oper in Bordeaux hat gleich zwei Besetzungen für "Faust" engagiert, denn
ein Erfolg war vorauszusehen, da diese populäre Oper seit über fünfundzwanzig
Jahren in Bordeaux nicht mehr gespielt worden ist. Es wurde die komplette
Version gespielt, mit dem oft gestrichenen Duett Siebel-Marguerite und
der (zu) langen Ballett-Fassung der Walpurgisnacht.
Unter
der Leitung von Emmanuel JOEL-HORNAK spielte das ORCHESTRE NATIONAL BORDEAUX
AQUITAINE sehr flott und präzise. Der CHŒUR DE L'OPÉRA NATIONAL DE BORDEAUX
sang gewohnt gut, von Jacques BLANC hervorragend einstudiert. Der Dirigent
wußte besonders die dramatischen Stellen sehr genau heraus zu streichen
und war bemüht, den Sängern ein guter Begleiter zu sein, was ihm in hohem
Maße gelang, zumal die Sänger der 2. Besetzung noch nie in Bordeaux gesungen
hatten.
Die
Palme kommt zweifellos dem Mephistopheles von Paul GAY zu, der in dieser
Rolle debütierte. Da er ein sehr großer Bursche ist, der alle um mindestens
einen Kopf überragt, und einen ungewöhnlich vollen Baß besitzt, war seine
Bühnenpräsenz sehr eindrucksvoll. Seine "Ballade du Veau d'or" war absolut
hinreißend.
Neben
ihm wirkte der junge Koreaner Woo Kyun KIM als Faust noch kleiner, denn
er reichte ihm gerade zum halben Brustkorb. Was allerdings seinem ausgezeichnet
geführten, strahlenden Tenor keinerlei Abbruch tat. Denn er sang mit Eleganz,
guter Phrasierung und in perfektem Französisch bereits die große Arie
"Salut, demeure chaste et pure" im 1. Akt und hielt diese Form während
der ganzen Vorstellung.
Seine
Partnerin war eine junge Sopranistin aus Kasachstan, Maïra KAREY, die
der Rolle Naivität und Tragik gab. Sie sang die Juwelenarie wunderbar
und stilvoll phrasiert und mit kindischer Überraschung und Freude gespielt.
Drei junge Sänger, von denen man noch viel hören wird.
David
GROUSSET war ein schönstimmiger Valentin, der sein forsches Abschiedslied
"Avant de quitter ces lieux" mit gutem Ausdruck sang. Christophe BERRY
als Siebel sang die hübsche Arie "Faites-lui mes aveux" mit herzlicher
Naivität und schönem Tenor. Als Witwe Marthe war Marie Thérèse KELLER
mit angenehmem Mezzo die richtige Mischung von Zurückhaltung und Zudringlichkeit.
Loic VASSIN war ein passend betrunkener Wagner.
Zwei
Künstler aus Bordeaux Jean-Philippe CLARAC und Olivier DELOEUIL zeichneten
für die Inszenierung. Beide sind Leiter der Opéra Français de New York
und sollten daher das französische Repertoire bestens kennen. Allerdings
schlug sich dies nur beschränkt auf die Aufführung in Bordeaux nieder.
Dafür sind wohl auch die traurigen Bühnenbilder von Philippe MIESCH und
die einfallslosen Kostüme von Thibaut WELCHLIN verantwortlich. Marguerite
in hellblau oder weiß, die Herren in schwarz, Valentin braun gekleidet,
die Szenerie ziemlich grau, mit einer helleren verwaschenen Projektion
im Hintergrund im 1. Teil. Ein "gotisches" Gestell aus blauem Blech stellte
eine Kapelle dar. Im 2. Akt wurde ein Osterlamm zum Goldenen Kalb, und
Mephistopheles zündete einen Feuerkreis um sich an.
Einzig
die Kirchenszene zeigte einen neugotischen Altar - den Mephisto auch in
Flammen aufgehen ließ - und eine symbolische gotische Rosette. In der
Walpurgisnacht stand im Hintergrund ein Turm aus dem Mephistopheles erschien.
Diese eher betrübliche Szenerie wurde von Giuseppe di IORIO entsprechend
düster beleuchtet. Ballettchef Charles JUDE zeichnete für die konventionelle
Choreographie. Das ungekürzte Ballett war entschieden zu lang, was bewirkte,
daß die Vorstellung um Mitternacht zu Ende ging; vier Stunden!
Begeisterter,
wenngleich kurzer Applaus für Dirigenten, Sänger, Chor und Orchester.
wig.
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