Über
handwerklich schlecht gemachte Inszenierungen des modernen Regietheaters
ist schon oft geschrieben worden. Auch John DEWs Interpretation der "Hugenotten"
besitzt ausreichend Attribute dieser Kategorie: Lederladies und wüstes
Nachtleben auf dem katholischen Fest (Wie gut, daß es die Beichte gibt!),
ein Swimmingpool inkl. in Bademoden gewandete Damen am königlichen Hof,
Personen mit Armbinden ("... nimm diese Schärpe..." sic!) und "P"s bzw.
"K"s als Rückennummern beim öffentlichen Tauziehen um Frankreich. Nur
die obligaten Koffer gab es nicht. Vielleicht habe ich glatt übersehen.
Den Abend retteten - neben der schönen Musik - letztendlich die Sänger
sowie ein relativ einiges Orchester unter der Leitung von Stefan SOLTESZ.
Im
personenreichen Ensemble auf der Bühne gab es in der Tat nur anderthalb
Ausfälle. Einer davon war leider die männliche Hauptrolle. Chris MERRITT
vermochte mit enger Höhe und rauher Stimme der Rolle des Raoul kaum zu
entsprechen. Dafür entblödete er sich nicht, den Regiemätzchen minutiös
folge zu leisten. Man buhte ihn am Ende kräftig aus, und auch, wenn ich
dies nicht für eine richtige Form der spontanen Kritik halte, war es diesmal
aus meiner Sicht mehr als gerechtfertigt. Die anderen Protagonisten konnte
da schon mit mehr aufwarten.
Alexandra
VON DER WETH geizte nicht mit hohen Tönen. Leider waren diese nicht immer
von besonderer Schönheit. Trotzdem gelang ihr eine interessante, wenn
auch sehr überspitzte und schrille Rolleninterpretation der Margarethe
von Valois. Elisabeth-Maria WACHUTKA hauchte der Valentine inmitten des
teilweise abstrusen Regiechaos sensibles Leben ein. Mit großer Präsenz
und Dramatik in der Stimme konnte sie die innere Zerrissenheit ihrer Figur
fühlbar machen.
Raouls
Bruder Marcel war bei Reinhard HAGEN in guten Händen. Ihm liegen die "heiligen"
Rollen besonders. So konnte er, in seinem langen Mantel stets angemessenen
Schrittes über die Bühne schreitend, auch diesem Individuum, halb protestantischer
Prediger, halb geistiger Brandstifter, seinen ganz speziellen Stempel
aufdrücken. Seine dunkelsamtene Stimme strömte die gesamte Vorstellung
über aus einer geläufigen Kehle. Der Choral im letzten Akt war stimmliche
Schönheit pur.
Friedemann
KUNDER brillierte als Saint-Bris. Valentines Vater in seiner ganzen Entschlossenheit
für die katholische Sache gibt den Befehl zu dem Massaker, dem seine Tochter
zum Opfer fällt. Es war beeindruckend, wie man von diesem Sänger sowohl
in der Szene, als er seinen Getreuen den Mordplan schmackhaft macht, als
auch bei der Trauer um Valentine gefesselt wurde. Die Rolle des Grafen
Nevers machte Lenus CARLSON zu der seinen. Was letzten Endes zum Sinneswandel
der Figur führt, bleibt in dieser Inszenierung offen. Die Zweifel des
Grafen wurden jedoch so plastisch dargestellt und stimmlich profund unterstützt,
daß die Gedanken darüber verdrängt wurden.
Einen
glanzvollen Auftritt hatte Ulrike HELZEL, die in der Rolle des Pagen ihre
Bestimmung fand und eine schöne Stimme hören ließ. David GRIFFITH, Marc
TEVIS, Hans GRIEPENTROG, Josef BECKER sowie Miomir NIKOLIC waren als katholische
Edelleute ausgesprochen charmant im Besingen der schönsten Frau der Welt
und überzeugten alle samt mit musikalischer Potenz von ihren Klangqualitäten.
Der
Chor bekam an diesem nachweihnachtlichen Sonntagabend seinen ganz großen
Moment bei dem bereits genannten Choral der Protestanten, konnte aber
auch schon zuvor schöne musikalische Augenblicke erzeugen.
Daß
Giacomo Meyerbeer an diesem Abend nicht a la Komtur aus "Don Giovanni"
in der DOB erschien, verwunderte mich dann doch. Geweint hat er bestimmt,
denn dem Zuschauer wurde nur zu selten ermöglicht, seiner Musik ganz unbenommen
zu lauschen. Mir bleibt zu hoffen, daß es vielleicht irgendwo eine normale
Meyerbeer-Inszenierung gibt. Kennt vielleicht jemand eine ohne Massaker
mit Maschinenpistolen u.ä.? AHS
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