(Aus
einem Totenhaus)
Eine
Wiederaufnahme eines ziemlich gelungenen "Totenhauses" konnte ich mir
natürlich nicht entgehen lassen. Vor allem nicht, nachdem klar war, daß
der einzige Sänger, der mir wirklich mißfallen hatte, ersetzt werden würde.
Allerdings
hätte ich mir Ladislav ELGR, der von John Mark Ainsley die Rolle des Skuratov
"geerbt" hat, besser mal vorher angehört, dann wäre mir eine Enttäuschung
erspart geblieben: Der Mann ist der reinste Ainsley-Klon. Vielleicht hat
er deswegen die Rolle bekommen, vielleicht hat man ihm auch eine Aufnahme
von Ainsley gegeben und gesagt "Das singst du jetzt genauso". Wie dem
auch sei, Elgr gleicht Ainsley in vielem - seine Töne klingen gequetscht,
man hört ihn über das Orchester nicht, und ein paar Mal sang er auch nicht
ganz richtig - und sagte mir deshalb genauso wenig zu.
Die
Umbesetzung der Rolle des Siskov mit Pavlo HUNKA ist ähnlich unerfreulich
und das nicht nur weil sich der direkte Vergleich mit seinem Vorgänger,
Roman Trekel, aufdrängt. Auch Hunka gelingt es nicht, sich über das Orchester
Gehör zu verschaffen und ihm fehlt die Ausdrucksstärke, die diese Rolle
nun mal verlangt. Einige falsche Töne und ein breiter englischer oder
amerikanischer Akzent haben da auch nicht weiter geholfen.
Haken
wir den unangenehmen Teil gleich ab: Jirí SULZENKO (der Platzmajor) ist
in den drei Jahren seitdem ich ihn zum letzten Mal gesehen habe, auch
nicht überzeugender geworden. Eine überraschendere Enttäuschung war Ján
GALLA als Cekunov. Auch er war teilweise schlecht zu hören und ein oder
zwei falsche Töne habe ich auch gehört. Ich hoffe mal, daß es einfach
nur nicht sein Tag war.
Was
die meisten Rollen angeht, kann ich mich nur wiederholen: Die Rollen des
Popen (Arttu KATAJA), des betrunkenen Sträflings (Stephen CHAMBERS), des
Kochs und Schmieds (Maximilian KRUMMEN) und der Dirne (Eva VOGEL) sind
und bleiben zu klein, um sie ernsthaft zu kommentieren. Kedril (Marian
PAVLOVIC) und Don Juan (Ales JENIS) fielen wieder eher durch gutes Schauspiel
als durch ihre wenigen Zeilen Gesang auf. Stephan RÜGAMERs Cerevin fiel
mir dieses Mal positiver auf.
Heinz
ZEDNIKs Stimme hat ein wenig nachgelassen, er war häufiger schlecht zu
hören. Sonst gefiel mir sein alter Sträfling immer noch sehr gut. Vladimír
CHMELO spielt den kleinen Sträfling sehr überzeugend und mit angenehmer
Stimme mit solider Tiefe.
Eric
STOKLOSSA passt immer noch einfach zu gut auf die Rolle des Aljeja, stimmlich
wie schauspielerisch. Peter HOARE gelingt als Sapkin eine sehr gute Balance
zwischen Komik und Tragik und die Flexibilität seiner Stimme ist weiterhin
beeindruckend.
Peter
STRAKA, den ich mittlerweile in drei Rollen in dieser Oper gesehen habe,
bekommt hier weiterhin nur die Rolle des großen Sträflings und das ist
weiterhin schade, da er stimmlich genau das hat, was keiner der Skuratovs
(eine Rolle, die Straka in Zürich wirklich gut sang) dieser Produktion
je auf die Bühne bringt.
Der
einzige wirklich erfreuliche Neuzugang war Tom FOX als Gorjancikov. Fox
war einer der Wenigen, die nie Schwierigkeiten hatten, sich gegen das
Orchester durchzusetzen. Sein Schauspiel ist überzeugend und er nennt
eine wirklich schöne und kräftige Stimme sein eigen. Gerne wieder!
Und
schließlich Stefan MARGITA, als Luka Kuzmic. Was soll ich noch sagen?
Einer der überzeugendsten Sänger, die ich je auf einer Bühne gesehen habe.
Nie fällt er aus der Rolle, selbst wenn er nur im Hintergrund zu sehen
ist, und nie läßt seine Stimme nach. Sein Gesang ist nach wie vor extrem
ausdrucksvoll und einfach wunderbar anzuhören. Die Rolle scheint er mittlerweile
perfektioniert zu haben und ich kann ihn guten Gewissens als meinen Lieblings-Luka
bezeichnen.
Leider
muß ich dieses Mal ausgerechnet über das ORCHESTER motzen… Sir Simon RATTLE
hat, scheint's, einen Zahn zugelegt und hetzt stellenweise geradezu durch
die Musik. Ein paar Unsauberkeiten waren leider die Folge. Außerdem war
das Orchester einfach zu laut. Zwar beweisen Sänger wie Margita, Fox,
Chmelo oder Straka, daß es durchaus möglich war sich über das Orchester
Gehör zu verschaffen, dennoch ging einfach ein viel zu großer Teil des
Gesangs etwas verloren. Wobei ich, in aller Fairness, nicht ausschließen
will, daß es eventuell auch mit der Akustik des Schillertheaters und meiner
Platzwahl zu tun hat. Die reinen Orchesterstellen, allen voran die Ouvertüre,
waren dafür wieder brillant und konnten begeistern.
Außerdem
möchte ich die Entscheidung loben, daß Stück nicht mit einem Applaus bei
Erscheinen des Dirigenten zu beginnen, sondern mit einem plötzlichen Ausschalten
der Lichter bei gleichzeitigem Beginn der Ouvertüre.
Die
Inszenierung (Regie: Patrice CHÉREAU, Wiederaufnahme: Peter MCCLINTOCK)
ist gleich geblieben; die Bühne umgeben von hohen Mauern, die Kostüme
so allgemein wie möglich gehalten und die Untertitel (Erik BORGMAN) mitten
ins Bühnenbild projiziert.
Der
Chor (Leitung: Frank FLADE), dieses Mal nur mit Ausnahme der ersten paar
Zeilen auf der Bühne, war eine Freude und schauspielerisch möchte ich
dieses Mal vor allem Elvira und den Schreiber hervorheben.
Insgesamt
war es schön, diese zuverlässig gute Inszenierung noch einmal zu sehen,
auch wenn ich meinen ersten Besuch in positiverer Erinnerung habe. NG
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