Mit
einer interessanten Inszenierung dieser hoch musikalisch durchdachen Oper
von Giuseppe Verdi überraschte die Staatsoper unter den Linden seine Besucher,
denn man verwendete die 1.Fassung, die 1857 nach vielen Kämpfen aufgeführt
werden konnte, da sich Komponist und Textverfasser Antonio Somma nach
dem Libretto von Eugène Scribe zunächst nach dem Schauspiel "Gustave III.
ou le bal masque" richteten, nämlich dem historisch erwiesenen Mord an
dem unglücklichen Schwedenkönig Gustav III. am 16. März 1792. Die italienische
Zensur, die politische Themen in Opern nicht duldete, verbot Verdi die
Oper in dieser Form aufzuführen, und der Komponist, der zunächst versuchte,
selbst ein Libretto zu zimmern, verlegte die Handlung nach Amerika, nämlich
nach Boston, verwandelte den unglücklichen Schwedenkönig in einen Gouverneur
dort im diplomatischen Dienst, und die Oper konnte dann endlich am 17.
Februar 1857 in Rom nach Genehmigung durch die päpstliche Zensur uraufgeführt
werden.
Berlin
hat nun diese Fassung mit 2 Figuren erweitert, in dem man die stummen
Rollen einer first lady (Michaela STEIGER), nämlich eine Ehefrau des Conte
Riccardo, und den Sohn Amelias und Renatos (Tim FRANKE) in die Handlung
einfügte. Letzterer durfte sogar an der Verschwörung im 3. Akt aktiv teilnehmen
und ließ anklingen, daß er wohl zu den zukünftigen Terroristen zählen
könnte. Die Handlung selbst wurde in die Jetztzeit in eine Hotelhalle
des Arvedson Palace-Hotels verlegt, in der wohl kurz davor eine Revolution
ihr Ende gefunden haben mag, denn die Galgenszene in der Halle schmückten
zwei soeben Aufgeknüpfte aus und erzeugten das für diesen Akt nötige Grauen
Amelias, das von Ulrica empfohlene Gegenkraut für die verbotene Liebe
zum Gouverneur zu finden.
Auch
der "Maskenball", letztlich der Titelgeber der Oper, fand eher als Schwarzweiß-Ball
statt, denn es trugen wenige dort die dafür notwendigen Masken vor dem
Gesicht, und es gab keine Verkleidungen. Auch fand die Abschiedsszene
Amelia/Riccardo neben den Verschwörern auf einer Hotelcouch sitzend statt,
und Riccardo wurde von dem neben ihm sitzenden Renato erschossen. Als
einziger war der Page Oscar (sehr gut gesungen von Sylvia SCHWARZ trotz
angesagter Erkältung) als Schwan kostümiert. Ein Tanzpaar Beata und Horacio
CILFUENTES sorgte für die nötige Stimmung unter den Ballgästen. Ulrica,
die Wahrsagerin, war hier eine farbige Putzfrau des Hotels (sehr eindrucksvoll
gesungen und dargestellt von Mariana PENTCHEVA), die von Anfang an bühnenpräsent
war und auch im 3. Akt noch als sog. Todesbote durch den Ball geisterte.
Das weibliche Hotelpersonal trat in Kostümen von Krankenschwestern auf
(Kostüme Anja RABES), so daß man zunächst glauben muß, die Handlung der
Oper fände in einem Krankenhaus statt. Alles in allem aber trotz aller
merkwürdiger Inszenierungs-Ideen (Inszenierung und Dramaturgie Jossi WIELER)
kann man das Dargebotene als absolut geglückt und doch durchdacht bezeichnen.
Musikalisch
führte Philippe JORDAN die STAATSKAPELLE BERLIN gekonnt und routiniert
durch den Abend. Die CHOReinstudierung von Eberhard FRIEDRICH zeigte sich
ebenfalls als gelungen und trug ebenfalls zu dieser musikalisch hochkarätigen
Aufführung bei. Denn es stand eine international und national bekannte
Sängerriege auf der Bühne, allen voran Piotr BECZALA als Riccardo, dessen
tenorale Steigerung in jeder Partie, die er auf der Bühne bringt, keine
Grenzen aufweist und der dadurch jeden Abend, gerade in italienischen
Partien, zu einem Unvergeßlichen macht. Catherine NAGLESTAD in der Rolle
der Amelia konnte nach anfänglicher Zurückhaltung sich während des Abends
immer mehr steigern und erwies sich dadurch als Idealbesetzung in dieser
Partie. Als Renato (der historische Mörder hieß René Graf Anckarström,
und man hatte die Rollenbezeichnung aus der 2. Fassung übernommen) hatte
man Alfredo DAZA verpflichtet, der diese Partie gut um die Runden brachte,
allerdings erklingt sein Bariton mit wenig Ausdruck und Farbe, und wirkt
dadurch monoton.
Der
Matrose Silvano (in dieser Inszenierung als einarmiger Kriegsversehrter)
wurde gut von Viktor RUD dargestellt und gesungen, ebenso fügten sich
die beiden Verschwörer Samuel und Tom (Tuomas PURSIO und Andreas BAUER)
gut ein, auch Peter-Jürgen SCHMIDT und Motoki KINOSHITA in den kleinen
Rollen des Obersten Richters und des Dieners der Amelia.
Diesen
etwas anderen "Maskenball" zu erleben, war für einen Münchner-Opernbesucher
äußerst interessant. I.St.
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