"Die
tote Stadt" ist ein kompliziertes Stück mit viel Symbolismus, das sicherlich
nicht einfach auf die Bühne zu bringen ist. Philippe ARLAUD (auch Bühnenbild
und Licht) hat hier einen Weg gewählt, der mich nicht überzeugen kann.
Er überfrachtet die Produktion mit zahllosen Dingen; so setzt er eine
ARTISTENGRUPPE ein, die ihre Arbeit gut macht, aber weder das Stück durchschaubarer
werden läßt, noch irgendwelche Erkenntnisse bringt, sondern den Zuschauer
lediglich ablenkt. Auch das ständig herumhüpfende BALLETT (Choreographie:
Anne Marie GROS), das zeitweilig alles andere als synchron tanzt, erhellt
den Konflikt und sein Nichtloslassenkönnen nicht. Warum können oder wollen
Regisseure sich nicht mehr darauf verlassen, daß die Sänger die Bühne
füllen?
Die
Bühne, auf der sich, etwas abgesenkt, Pauls "Schrein" für Marie befindet,
ist von modernem Design, welches weder bemerkenswert spannend, noch störend
ist. Bundgekleidete Kirchenprozessionen sind auch nicht neu, wippende
Nonnenröcklein ebenfalls nicht. Letztendlich hätte man in den gleichen
Kulissen, in den gleichen Kostümen (Andrea UHMANN) auch jedes andere Stück
spielen können.
Eine
"Tote Stadt" steht und fällt mit den Hauptpartien. An diesem Abend fiel
sie. Norbert SCHMITTBERG war dem Paul in keiner Weise gewachsen und wurde
am Ende mit Buh-Rufen überschüttet. Sobald für ihn Noten im Passagio oder
darüber gefordert wurden, bekam die Stimme eine kaum erträgliche Enge,
Töne schlugen einfach um oder wackelten heftigst. Im unteren Bereich sprach
die Stimme durchaus an, oben ging nichts. Zeitweilig flüchtete er sich
ins Falsettieren, so daß die zweite Strophe von "Glück, das mir verblieb"
wie eine Arie Mariettas mit Nebengeräusch klang.
Von
der rein stimmlichen Bewältigung der Partie war Stephanie FRIEDE als Marietta/Marie
da wesentlich besser. Sie hatte die meisten Töne für die Rolle, auch wenn
sich gelegentlich einige Schärfen oder hörbare Registerübergänge ausmachen
ließen. Allerdings schien sie nicht wirklich etwas mit der Figur anfangen
zu können. Sie blieb sehr allgemein, weder die nyphomanen, noch die leidenschaftlichen
Züge von Marietta machte sie hör- oder sichtbar.
Bernd
VALENTIN war als Frank offenbar als eine Art Alter ego von Paul ausstaffiert,
was auf die Entfernung leicht zu Verwechslungen führen konnte. Diese gaben
sich jedoch, sobald er sang, da seine stimmliche Leistung tadellos war.
Daß der Bariton zu wenig individuell timbriert und etwas zu robust eingesetzt
wurde, war akzeptabel. Markus BRÜCK als Fritz orientierte sich bei seinem
"Mein Sehnen, mein Wähnen" sehr an prominenten Vorbildern in der Phrasierung,
ohne deren Wirkung auch nur annährend zu erreichen, da ihm die technischen
Möglichkeiten fehlten. Die Schwelltöne klangen eher, als seien sie im
piano teilweise verschluckt worden.
Die
besten Leistungen des Abends kamen von Ceri WILLIAMS als Brigitta mit
wunderbar pastosen Tönen, der man kaum anlasten kann, daß dem Regisseur
zu dieser Figur nichts eingefallen war, wobei sie das beste daraus machte,
und von Clemens BIEBER als Victorin, der die attraktivste Männerstimme
des Abends aufbot.
In
den weiteren Nebenrollen waren Tina SCHERER (Juliette), Sarah VAN DER
KEMP (Lucienne) und Sebastian HELLER (Gaston) von solidem Niveau.
CHOR
und ORCHESTER DER DEUTSCHEN OPER waren auf guten Niveau, bei letzterem
ist es meine vierte Vorstellung infolge, die es nahezu fehlerfrei blieb,
was in Anbetracht früherer Leistungen ein beachtlicher Vorschritt darstellt.
Am Pult war Philippe AUGUIN zu erleben, der alles ordentlich zusammenhielt
und der Versuchung ob der Klangmassen nicht nachgab, auf das Orchester
"zu hauen". Man könnte sich einzelne Passagen jedoch schwelgerischer,
leidenschaftlicher vorstellen. MK
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