Selten
hat mich ein Stück und dessen Realisierung so ratlos gelassen wie Hans
Zenders „Don Quijote“-Oper, zu der er auch selbst den Text nach Cervantes’
Roman geschrieben hat. Die Zeitgenössiche Oper Berlin in Zusammenarbeit
mit der Komische Oper bot das 1993 uraufgeführte und hier in einer neunzigminütigen
Bearbeitung gespielte Stück dar, ohne daß sich mir erschloß, was Komponist
und Librettist Zender damit eigentlich sagen wollte.
Das
Stück folgt den diversen Abenteuern des Ritters von der traurigen Gestalt,
aber es wird der Vorlage nicht gerecht. Es wird weder deutlich, weswegen
Quijote die Ritterwelt der realen vorzieht, oder was ihn an fahrenden
Rittern so fasziniert, noch warum Sancho ihm eigentlich folgt. Die tragikomische
Aussage des Stoffes geht völlig unter. Es fehlt auch musikalisch an unterschiedlichen
Sprachen zwischen Realität und Einbildung. Alles klingt mehr oder weniger
gleich, wie es halt in zeitgenössischen, atonalen Opern klingt. Es bleibt
nichts tatsächlich in Erinnerung.
Am
Schluß gibt es vor den letzten Bildern eine Ouvertüre, was dann auch groß
auf dem Vorhang mitgeteilt wird. Zu guter Letzt geht das ganze Stück in
einer Art pantomimischem Zeitraffer von vorne los; man sieht zahllose
ausgewählte Szenen, die schon beim ersten Ansehen nicht wirklich aufregend
waren.
Regisseurin
Sabrina HÖLZER läßt das Stück auf verschiedenen Ebenen spielen. Ihre Ausstatterin
Mirella WEINGARTEN hat ihr hierfür eine Art Gerüst gebaut. Problem dieser
Lösung ist, daß sich die verschiedenen Figuren nicht begegnen, da sie
sich immer auf unterschiedlichen Etagen des Gerüstes befinden. Dies mag
zu Beginn durchaus einen gewissen Reiz haben, so daß Quijote alle Beziehungen
zu seiner realen Welt verloren hat, wird auf die Dauer jedoch langweilig,
zumal er ja gerade als Kontrast zur realen Welt wirkt. Die Kostüme mit
der vorherrschenden Farbe weiß, ergänzt teilweise durch diverse Röhrenkonstruktionen,
tragen auch nicht wirklich zum Verständnis bei.
Einzig
der Moment, als die Nebenpartien aus dem Off in einer Mischung aus Nachbarschaftsklatsch
und Polizeibericht über Don Quijotes Taten kommentieren, hatte etwas Originelles.
Bezeichnenderweise war dies der Moment, in welchem gesprochen wurde, und
die Musik schwieg.
Tom
SOL in der Titelrolle sang die Partie sehr ordentlich. Einige rauhere
Töne waren zu vernachlässigen, allerdings hätte er deutlich mehr Persönlichkeit
benötigt, um wirklich in Erinnerung zu bleiben. Mark BOWMAN-HESTER als
Sancho zeichnete sich durch ein unangenehm grelles Timbre aus; die Stimme
klang in der Höhe gequält.
Die
Damen Ksenija LUKIC, Franziska GOTTWALD und Maria KOWOLLIK (unter anderem
als dreigeteilte Dulcinea) waren allein sehr anhörbar, aber harmonierten
im Zusammenklang nicht perfekt. Bewundernswert präzise und klangschön
waren die unter anderem als Lektoren besetzten Patrick BUSERT, Jonathan
DE LA PAZ ZAENS und Christoph KÖGEL, während die weiteren Herren Lothar
ODINIUS, Nicholas ISHERWOOD und Gavin TAYLOR ihren mehreren Rollen angemessen
nachkamen. Was genau Tänzer Daniel YAMADA darstellen sollte, ist mir auch
jetzt noch nicht klar.
Das
ORCHESTER folgte Rüdiger BOHN sehr aufmerksam. Der Dirigent schaffte es,
alle Beteiligten zusammenzuhalten und war überaus präzise, was angesichts
des Bühnenbildes, in dem die Sänger ihre Partner meist nicht sehen können,
besonders zu loben ist.
Ich
glaube nicht, daß es zwischen dem Stück und mir eine weitere Begegnung
geben wird. Eigentlich gebe ich fast jedem und allem eine zweite Chance,
aber hier wüßte ich wirklich nicht, warum. MK
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