Zu
Beginn ihres fünftägigen Gastspiels anläßlich der Berliner Festwochen
hatte das Petersburger Mariinsky-Theater Schostakowitschs „Lady Macbeth“
im Programm. Die Produktion der bereits verstorbenen Irina MOLOSTOWA ist
zwar schon einige Jahre alt, aber das Mariinsky entzieht sich dem Wahn
um eine Aktualität um jeden Preis ja bei vielen Stücken mit steter Konsequenz.
Und nicht zu Unrecht. Die Lady paßt nun einmal in eine ländliche Umgebung
im tiefen Russland zu grauer Zeit. Frau Molostowa läßt aber dennoch nicht
alles ins Düstere versinken. Die dominierende Fassade des Kaufmannhauses
erstrahlt in hellem freundlichen Holz (Bühne Georgi TSYPIN). Eigentlich
durchaus geeignet für ein fröhliches, lustvolles Landleben. Aber der Mensch
ist des Menschen Wolf, und so nimmt das mörderische Schicksal der Katerina
Ismailowa seinen Lauf.
Die
Sänger also bestimmen diese Produktion. Allen voran Irina LOSKUTOWA in
der Titelrolle. Wie sie zunächst zurückhaltend, dann kecker werdend sich
in die rasende Leidenschaft steigert und am Ende in mörderische Verzweiflung
verfällt ergibt ein facettenreiches Bild dieser komplexen Figur. Auch
Oleg BALASCHOW als Liebhaber Sergej überzeugt mit strahlender Stimme und
leichtlebiger Oberflächlichkeit.
Gennadi
BESSUBENKOWs Baß hat schon bedrohlicher und profunder geklungen. Dieser
Schwiegervater ist eher kauzig, denn übermächtig tyrannisch, fast ist
man geneigt zu sagen, daß es zuviel ist, ihn gleich zu ermorden. Apropos
kauzig: Fedor KUSNETZOW spielt einen wundervoll komischen Popen, ein genußvoller
komischer Gegenpunkt, wie auch Juri ALEXEJEW als Sinowij.
Absolute
Rückendeckung bekommen die Sänger von ihrem ORCHESTER unter Valery GERGIEV.
Da, wo die Produktion vielleicht zuwenig Biß hat, ist die Musik immer
dem Punkt. Jede Phrase wird ausmusiziert, jeder grelle Ton, jede Nuance
sitzt. Gergiev ist wieder einmal Theatermann durch und durch, hat ein
Gespür für die Situation und holt alles heraus. Da blitzen Komik und Dramatik
nebeneinander auf, und die Geschichte steigert sich bis zum hochdramatischen
Ende.
Und
dabei war das an diesem Abend gar nicht so einfach, denn der Sponsor hatte
eine zweite Pause eingefordert, damit seine Gäste sich bei Schnittchen
und Sekt zwischendurch erholen konnten. Das aber riß die Aufführung gefährlich
auseinander. Nach nunmehr fast vier Stunden konnte man dennoch sehr zufrieden
nach Hause gehen. KS
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