Die
Deutsche Staatsoper Unter den Linden veranstaltet um die Pfingsttage herum
ein Mozart-Fest, bei dem das Haus die im Repertoire stehenden Inszenierungen
gebündelt und teilweise besonderer Besetzung präsentiert.
Allerdings
wäre, ohne die musikalische Umsetzung der Abend ziemlich langweilig geworden.
Die Inszenierung von Thomas LANGHOFF ist beliebig, es fehlt an Ideen.
In den Bühnenbildern von Herbert KAPPLMÜLLER hätte man auch jedes andere
Stück spielen können. Insbesondere der Sinn der an den Seiten der Bühne
stehenden Pylonen (als Deern vonne Waterkant erinnerten mich die Dinger
ziemlich an Flutschutzmaßnahmen) erschloß sich mir in keiner Weise. Die
Kostüme von Yoshi'O YABARA waren ein Stilmix von verschiedenen Epochen,
ohne jeweils einer bestimmten zuzuordnen zu sein. Daß sich Giovanni bei
seinen Verführungsversuchen eine Maske mit chinesischem Zopf aufsetzen
mußte, trug auch nicht zum Verständnis des Stücks bei.
Dies
war die 20. Vorstellung der Produktion und auch von der Premierenbesetzung
ist kaum noch etwas übrig geblieben. So tut jeder, was er kann oder auch
nicht, was allerdings in den meisten Fällen schon beachtlich ist, vor
allem wenn man bedenkt, daß vier Rollendebüts und zwei Hausdebüts anstanden.
Hätte
nicht das Programmheft ausgewiesen, daß René PAPE seinen ersten Don Giovanni
sang, ich hätte es nicht geglaubt. In Darstellung und Phrasierung war
der Sänger bereits von einer Perfektion, die sich normalerweise erst nach
dem längeren Singen einer Partie einstellt. Groß und elegant ragte er
schon körperlich aus dem Rest des Ensembles heraus. Es waren klug eingesetzte
Piani ebenso zu hören wie herrisches Benehmen, und das alles gesungen
von einer der schönsten Baßstimme, die es heute gibt. Ein besonderes Lob
ist dem Sänger für sein "Fin ch'han dal vino" zu zollen, wo er trotz atemberaubender
Geschwindigkeit nicht ein einziges Mal ins Stocken kam. Köstlich war sein
Auftreten in Leporellos Kleidern in einer zwerchfellerschütternden Parodie
auf diesen.
Daß
dies auch umgekehrt funktionierte, bewies Lucio GALLO gleich in der folgenden
Szene. Ohne die Figur zum Clown herabzuwürdigen, schaffte er es trotzdem,
auch durch die Fähigkeit, einer der größten Szenendiebe zu sein, immer
wieder lautes Gelächter lediglich durch eine kleine Geste oder auch nur
eine veränderte Betonung zu erregen. Gesanglich gab er eine Lektion darin,
was an Phrasierung eigentlich alles möglich ist. Daß er sich mittlerweile
einem dramatischerem Repertoire zugewandt hat, beeinträchtigt seinen Mozart-Stil
in keiner Weise.
Die
Herren Pape und Gallo setzten im Zusammenspiel in ihren gemeinsamen Szenen
definitiv die Höhepunkte des Abends.
Charles
CASTRONOVO (Don Ottavio) schaffte es vor allem durch ruhiges, bestimmtes
Auftreten tatsächlich ein Gegenpol zum Giovanni zu bilden. Der Sänger
nennt eine interessant timbrierte lyrische Tenorstimme sein eigen, die
auch zu dramatischen Ausbrüchen fähig ist. Sowohl "Dalla sua pace" als
auch "Il mio tesoro" waren wunderschön phrasiert und emphatisch gesungen.
Als
Masetto machte einmal mehr Alexander VINOGRADOV auf sich aufmerksam. Es
bedarf keiner Prophetie, dem jungen Sänger eine Karriere vorauszusagen,
denn es gelang ihm problemlos, seine schon sehr große, warmtimbrierte
Stimme schlank zu führen. Auch darstellerisch war er in jeder Sekunde
sehr präsent.
Die
Damen konnten da wesentlich weniger reüssieren. Bewundernswert war es
zwar, wie sich Dina KUZNETSOVA als Donna Anna in die Rolle warf und leidenschaftlich
über die Bühne fegte; dankenswerterweise befreite dies die Partie von
der Trauerweidenattitüde. Stimmlich allerdings wäre es besser, wenn die
Sängerin insbesondere in der höheren Lage mit mehr Nachdruck singen könnte.
Im oberen Register wurde die Stimme teilweise fast schüchtern zurückgenommen,
was einiges an Effekt kostete.
Malena
ERNMAN (Zerlina) machte nichts wirklich falsch, blieb jedoch darstellerisch
unauffällig, und ihre Stimme hatte nicht wirklich einen qualitätsvollen
Klang, sondern war eher herb.
Beim
Applaus räumte erwartungsgemäß Cecilia BARTOLI bei den Damen am meisten
ab. Sie legte jedoch die Donna Elvira darstellerisch an, als sänge sie
eine Buffa-Rossini-Heldin, was reichlich unpassend wirkte, da es der Figur
jede tragische Dimension nahm. Auch gesanglich war da einiges im Argen.
Das laute Atmen wirkte störend in der Gesangslinie, die Höhen kamen teilweise
quallig oder wurden nur angetippt, und ich konnte mich des Eindrucks nicht
erwehren, daß vor allem ein Stimme und keine Interpretation zur Schau
gestellt wurde.
John
TOMLINSON war als Komtur mit einer überraschend verbraucht klingenden
Stimme zu hören. Im Leben eher lächerlich wirkend, konnte er jedoch als
uomo di sasso Furcht erregen. Wieder ohne jeden Makel
die
STAATSKAPELLE BERLIN und der STAATSOPERNCHOR. Am Pult waltete Daniel BARENBOIM
umsichtig und auf jeden Impuls von der Bühne sofort reagierend. Er bevorzugt
einen weniger schlanken als vehementen Mozartklang, der das Drama entschlossen
und folgerichtig von der (Beinahe-?) Vergewaltigung bis zum Ende des Wüstlings
treibt. Ein technisches Problem, was außerplanmäßig eine zwanzigminütige
Pause zwischen "Il mio tesoro" und "Mi tradi" notwendig machte, nachdem
er bereits mit dem Vorspiel zu letzterem begonnen hatte, ließ die Wiederholung
dieses Vorspiels besonders wütend toben. MK
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