Daß
dieser Kaufmann nicht sehr erfolgreich ist, sieht man gleich. Sein Warenlager
ist bis unter die Decke mit Kartons gefüllt. Ein regelrechtes Bergmassiv
tut sich da auf. Und als der Herr dann den Raum betritt, ahnt man auch
warum. Simone ist schwarz gekleidet, mit schwarzen eng zurückliegenden
Haaren und einer wuchtigen schwarzen Brille. Dem würde man nur ungern
feine Stoffe abkaufen. Ein stimmiges Bild also, das Andreas HOMOKI in
seiner Inszenierung von Alexander von Zemlinskys Einakter "Eine Florentinische
Tragödie" entwirft (Bühne und Kostüme: Wolfgang GUSSMANN).
Und
auch wenn man vorher schon Simones Frau Bianca turtelnd mit dem Prinzen
von Florenz beobachten konnte, so beginnt die Oper doch erst wirklich
mit Simones Auftritt. John WEGNER ist erst leise, fast kriechend, wie
er dem Prinzen Gastfreundschaft und Stoffe anbietet, wird aber mit jeder
Minute präsenter und beherrscht die Bühne und das Stück, als wäre es ein
Ein-Personendrama. Beeindruckend, wie sich hier jemand in eine kalte Wut
singt und spielt. Und dabei muß er noch diverse Male die Kartonwand erklimmen
(ja, Herr Homoki läßt wieder turnen), wo er am Ende auch den Liebhaber
seiner Frau ermordet. Die Tat bringt allerdings nicht die Erlösung, indem
sich nach dem Mord das Ehepaar wieder annähert. Zwar wird in gegenseitiger
Bewunderung geendet, aber bei Homoki stehen Mann und Frau weit voneinander
entfernt und sehen sich nicht an. Da ist nur Kälte und Einsamkeit.
Ann
HALLENBERG gibt die Bianca still freundlich mit leisen Gefühlsausbrüchen,
aber immer mit einer Portion Misstrauen in den weiteren Verlauf der Geschehnisse.
Der Prinz Andreas Conrad konnte an diesem Abend nicht singen, für ihn
spielte der Abendspielleiter Heinz RUNGE und aus der Loge sang Viktor
LUTSIUK. Beide machten ihre Sache gut. Ein starker erster Teil des Abends.
Im
zweiten Teil ist der Stimmungsumschwung keine Entwicklung, sondern sehr
abrupt. Zu Zemlinskys leichter spielerischer Musik, sieht man die Diener
überdimensionales Spielzeug für den Geburtstag der Infantin aufbauen.
Angesichts dieses Spielzeugs sind alle Zwerge. Das Buch ist von über zwei
Metern Höhe, und auch die Buntstifte sind mannshoch. Brummkreisel und
Schaukelpferd übertreffen beides noch, ein wahres Spielzeugparadies ist
zu erleben.
Und
die liebevollen Details machen auch vor den Menschen nicht halt. So haben
alle viktorianischen Zofen allerliebste Himmelfahrtsnäschen, während der
Haushofmeister (gut: Klemens SLOWIOCZEK) einen rechten Zinken verpaßt
bekommen hat. Die Infantin selbst, die mit ihren Gespielinnen, wie eine
Truppe von Shirley Temples aussieht runden das Idyll ab. Das ist Genuß
bis zu dem Augenblick, wo sich die Schachtel öffnet, und der bereits vielfach
beschworene Zwerg erscheint. Ab jetzt nimmt das Schicksal seinen Lauf,
das macht schon Zemlinskys plötzlich rauhe und borstige Musik deutlich.
Der häßliche Zwerg, der sich selbst für wunderschön hält, da er noch nie
in einen Spiegel geblickt hat, verliebt sich in die Prinzessin und glaubt
sich wiedergeliebt, als sie mit ihm tanzt und ihm eine Blume schenkt.
Nur mit der Zeit wird es der Infantin (Maria BENGTSSON) zuviel, und sie
fordert ihre Lieblingszofe Ghita auf, dem Zwerg einen Spiegel zu zeigen.
Es
folgt die wohl beeindruckendste Szene, in der Ghita mit sich ringt, ob
sie tun soll, wie ihr befohlen. Anne BOLSTAD gestaltet die Zerissenheit
wundervoll aus, während der Zwerg nichts ahnend daneben steht. Jürgen
MÜLLER bringt das naive Vertrauen des Zwerges in seine eigene Person sehr
glaubhaft rüber. Auch der Schock, als er in den Spiegel sieht, sowie der
stille leidende Tod des gebrochenen Menschen, dessen Welt verschwunden
ist, kann Müller vermitteln. So bleiben auch hier am Ende nur Bestürzung
und Leere. Ein Ort, wo sich beide Opern treffen.
Vladimir
JUROWSKI hat am Pult zum bezwingenden Eindruck des Abends viel beigetragen.
Alles in allem keine leichte Kost, aber fesselndes hoch emotionales Musiktheater.
Kerstin Schröder
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