Aufgrund des abrupten Machtwechsels in Berlin wird wohl in absehbarer Zeit eine kulturpolitische Entscheidung in bezug auf die drei Berliner Opernhäuser fallen. Ginge es hier um eine rein musikalische Frage hätte die DOB schlechte Karten.

Die Qualität im Repertoire ist gesunken. Das zeigte sich auch in dieser "Eugen Onegin"-Vorstellung wieder sehr deutlich. Zwar hatte man sich mit Mirella Freni und Nicolai Ghiaurov Stars einkauft, die das begeisterungs- und zahlungswillige Publikum in Haus brachten, doch die Arbeit von Orchester und Chor war zum Teil erschreckend. Jiri KOUT gelang es weder im Graben, noch bei den Chorszenen auf der Bühne die Balance zu halten. Daß der links befindliche Teil des Chores dem rechten (und umgekehrt) meilenweit voraus war, war kein Einzelfall. Im Orchestergraben griff manches Mal jemand daneben. Es ist schade, daß hier bisher niemand eingreift. Die Zeiten, als man sich bei Ouvertüren entspannt zurücklehnen konnte, waren gar nicht so unangenehm.

Der Sänger der Titelpartie, Anthony MICHAELS-MOORE, war Tschaikowskis Helden nicht gewachsen . Gesanglich machte er nichts falsch, erinnerte in seinen dynamischen Abstufungen zu sehr an das klassische Bild eines Buchhalters. (vor der Pause noch dazu an einen ohne Manieren) Zudem rollte er das "R" übertrieben, was sehr komisch wirkte.

Mirella FRENI dagegen ist als Tatjana schlicht eine Sensation. Neben der perfekten Rolleninterpretation, von der jungen, verliebten Tanja bis hin zur stolzen, eleganten Fürstin, hörte man die derzeit wohl beste musikalische Umsetzung inkl. einer ausgezeichneten Diktion. Nach der Briefszene bereits mit stürmischen Applaus belohnt, feierte man sie und ihre Kollegen am Schluß mehr als 25 Minuten.

Elena ZHIDKOVA ist stimmlich über die Olga bereits hinaus, doch aufgrund ihrer Erscheinung und der 100%igen Identifikation mit dem "Biest" mag man nicht auf sie verzichten.

Lenskis Arie wurde schlicht gesungen. Wahrscheinlich berührte sie deshalb so sehr. Jonas DEGERFELDT krönte so seinen Auftritt. Nörgler mögen seine Stimme als zu klein empfinden, doch gerade die leisen, zarten Töne z.B. am Ende der Ballszene waren vollendet.

Wie man aus einem einzigen Auftritt einen Triumph macht, zeigte Nicolai GHIAUROV. Sicherer Gesang und eine bühnebeherrschende, aufregende Präsenz. In dieser Besetzung gehört Tatjana an Gremins Arm. Auch ein besserer Onegin wäre chancenlos.

Peter MAUS ergänzte als Triquet trefflich. Solche tenoralen Piani habe ich lange nicht mehr gehört.

Es war trotz Abstrichen ein schöner Abend. AHS