Auch
Richard Wagners romantische Oper "Lohengrin" wurde an der Berliner Staatsoper
wiederaufgenommen. Man gönnte dem teils mehr, teils weniger begeisterten
Publikum drei Vorstellungen, von denen die letzte hier besprochen werden
soll.
Die
Inszenierung Harry KUPFERs verfügt neben einem zugegeben sehr futuristischen
Bühnenbild (Hans SCHAVERNOCH/Kostüme: Buki SHIFF) und einer gewagten Deutung
der Handlung über eine stringente, saubere Personenregie - sicherlich
ein Markenzeichen Kupfers, aber stets aufs Neue faszinierend. Das
Geschehen auf der Bühne wird greifbar. Diese Geschichte erzählt von atmenden
Menschen mit allen ihren Eigenheiten.
Realität
spielt ohnehin eine große Rolle in dieser Regiearbeit. Da das Märchen
vom Schwanenritter höchst unrealistisch wirkt, wurde die wundersame Errettung
der Maid kurzerhand in einen Traum Elsas gewandelt. "Echt" sind nur Beginn
und Schluß sowie zwei, drei kleine Sequenzen mittendrin. Ortrud und Telramund
siegen am Ende, und was wahre Wagnerianer wahrscheinlich erschauern läßt,
eröffnet dem, der bereit ist, neue Perspektiven zu entdecken, eine faßbare
Welt jenseits des ursprünglichen Märchens. Dank dem, der mich im vergangenen
Herbst für solche Denkweise sensibilisiert hat!
Für
die musikalische Seite des Abends muß neben der gekonnten Begleitung durch
die Staatskapelle unter der Leitung von Sebastian WEIGLE die immense Wortdeutlichkeit
aller Solisten und des gesamten Chores hervorgehoben werden. Nur wenige
Worte waren undeutlich gesungen, was das Verfolgen der Handlung wesentlich
unterstützte, aber auch die eklatanteste Schwäche Wagners entlarvte.
Emily
MAGEE hat als Elsa einen Wandel vollzogen. Sie besteht selbstbewußt und
macht durch ihre interessanter gewordene Stimme auf sich aufmerksam. Kupfers
Konzept hat sie stark verinnerlicht, so daß ihre Figur dankbarerweise
vom blond&blöd-Klischee befreit wird.
Machtbesessen
und bitterböse ihre Gegenspielerin. Elisabeth CONNELL zeichnet dunkle
wie dunkelste Nuancen mit ihrer eigentlich warmtimbrierten Stimme, um
so das Bild einer eiskalten, berechnenden Friesenprinzessin auf die Bühne
zu bringen.
Höhepunkt
des Abends war zweifelsohne die Szene zwischen Ortrud und Telramund zu
Beginn des zweiten Aufzugs. Sie kalt und ruhig nach Rache sinnend, er
zuerst ängstlich, der verlorenen Machtstellung nachtrauernd, schließlich
entschlossen den düsteren Plänen seines Eheweibs zu folgen, um diese Macht
zurückzuerlangen.
Die
Oper hätte an diesem Abend dann auch nach dem Antihelden benannt werden
sollen. Richard Paul FINK, der in dieser Partie am 17. sein Berliner Operndebüt
gab, ist ein Ausnahmekünstler. Seine kräftige, angenehme Stimme neigt
nie zum Brüllen, sondern nimmt leicht alle Hürden. Gepaart mit einem natürlichen
Bühnengehabe und einem, ja, ich muß es zugeben, stattlichen Aussehen entsteht
eine gefährlich gute Mischung, die süchtig macht. Mehr! Mehr! Mehr!
Beim
eigentlichen Titelhelden mußte man sich dagegen sorgen. Noch immer etwas
durch Schwanenflügel und dem bei jeder heftigeren Bewegung schwankenden
Gefährt behindert, hatte Francisco ARAIZA mit Widrigkeiten zu kämpfen,
die über seine derzeit beunruhigende Verfassung noch hinausgingen. Manches
gelang aber sehr schön wie z.B. über weite Strecken die Szene im Brautgemach
und die im piano gehauchte, aber bis in den 3. Rang vernehmbare "Taube"
in der Gralserzählung.
Siegfried
VOGEL als König Heinrich machte einen souveränen Eindruck, bestach durch
eine stimmliche Kraft, die aus einer gesunden Stimme resultiert, und rechtfertigte
seinen Einsatz mit potenter Präsenz. Sein Heerrufer, Andreas SCHMIDT,
Bariton, klang ein wenig angestrengt. An seiner guten Interpretation änderte
das nichts, so daß der begeisterte Applaus berechtigt war.
Das
Ensemble der Staatsoper empfahl sich wieder besonders durch die Vier Edlen:
Peter BINDSZUS, Andreas SCHMIDT, Tenor, Bernd RIEDEL und Bernd ZETTISCH.
Von den Vier Edeldamen ragte bestach besonders eine mit glockenklarer
Höhe. Leider war nicht festzustellen, welcher der Damen diese Stimme zu
eigen war. Deshalb an dieser Stelle nur ein Pauschallob.
Der
STAATSOPERNCHOR sang machtvoll, sauber, einig, agierte engagiert und souverän.
Es gab berechtigt begeisterten Applaus für Mannen (und Damen) unter der
Einstudierung von Eberhard FRIEDRICH.
Die
STAATSKAPPELLE hatte einige Tage zuvor Christoph Stöltzl, dem Berliner
Kultursenator vor seinem Amtsitz ein Ständchen für Daniel Barenboim und
den Erhalt des Orchesters dargebracht. Besser als zu dieser "Lohengrin"-Vorstellung
hätten sie allerdings ihre Forderungen kaum unterstreichen können: perfekte
musikalische Wiedergabe und permanente Präsenz ohne den Orchesterpart
zu sehr in den Vordergrund zu stellen.
Eine
aufwühlende Aufführung. Danke! AHS
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