Mit
der Inszenierung von Peter MUSSBACH hat die Staatsoper an Spannung kaum
zu übertreffendes Theater zu bieten. In einem rotausgekleideten Bühnenraum
(Bühnenbild: Erich WONDER), der sich bis über den Orchestergraben und
die Proszeniumslogen fortsetzt, spielt sich das blutige, gruselige, aber
auch skurrile Geschehen ab. Die Hexen sind im ersten Moment vielleicht
komisch anzusehen, entfalten jedoch im Verlauf des Abends ihre ganz eigene
Gefährlichkeit.
Die
Nutzung des Orchestergrabens als überdimensioniertem Kessel ist originell,
die Erscheinungen librettogemäß (daß der "gekrönte Knabe" Fleance ist,
macht Sinn). Die Mörder sind vielleicht nur eine weitere Geistererscheinung,
denn Macbeth darf Banquo per Streitaxt selbst beseitigen (was überzeugt,
wenn es als so professionell choreographierte Kampfszene dargeboten wird)
und in die verhängte Loge kippen.
Die
Lady scheint tatsächlich der Hölle entsprungen zu sein, wenn sie die Nachtwandelszene
sich aus einem Loch im Boden windend singt. Insgesamt ist besonders die
Beziehung zwischen Macbeth und seiner Lady meisterhaft dargestellt. Nur
die Kostümierung des Chors als Gefolge à la Arbeitsinsekten ist ein bißchen
zu holzhammerartig. Allerdings sind auch die Kostüme von Macduff, Malcolm,
der Nebenrollen und der Lady (Finale 1. Akt) nicht gerade ein Ausbund
an Kleidsamkeit (Kostüme: Andrea SCHMIDT-FUTTERER).
Aber
das ist nur ein geringer Einwand gegen die von Michael GIELEN geleitete
Vorstellungsserie. Gielen gilt als Analytiker, und in gewisser Weise ist
das richtig, denn er lotet die Tiefen der Partitur bis ins Letzte aus,
arbeitet Kleinigkeiten heraus, die ich noch nie zuvor gehört habe. Gleichzeitig
jedoch ist er in der Lage, die Musik einfach strömen zu lassen. Zudem
deckt er niemals die Sänger zu und reagiert sofort auf Schwierigkeiten
oder spontane Phrasierungen.
Auch
die STAATSKAPELLE bot eine großartige Leistung. Aus allen Instrumentengruppen
war die besondere Klasse dieses Orchesters herauszuhören, das einen sehr
geschlossenen Klang lieferte und sich an drei Abenden keinen einzigen
Verspieler oder auch nur Wackler leistete, was andere Orchester erst einmal
nachspielen müssen.
Für
den Chor fehlen mir fast die Worte; solche Superlative gibt es nicht.
Dieser Chor war schon immer exzellent, aber mit dieser Einstudierung hat
sich Chorleiter Eberhard FRIEDRICH wirklich selbst übertroffen. Ein derart
homogener Klang mit soviel Animiertheit auch noch im Spiel habe ich noch
nie gehört. Schande über den, der auch nur daran denkt, diese beiden Weltklassekollektive
mit anderen Orchestern und Chören zusammenzulegen!
Nicht
ganz einfach war für alle Beteiligten der Abend vom 23. November. Im Jahresprogramm
hatte noch Hasmik Papian die Rolle der Lady singen sollen, es probte dann
jedoch Sylvie VALAYRE. Sie sang auch die Premiere, hatte jedoch am 23.
das Pech, am Mittag von einer Halsentzündung heimgesucht zu werden. Man
bemühte sich um Ersatz und fand ihn in Kathleen BRODERICK. Die in Mannheim
engagierte Sängerin machte sich auf den Weg zu Flughafen, geriet in einen
Stau, verpaßte ihr Flugzeug und konnte erst nach Beginn der Vorstellung
in Berlin eintreffen. Sylvie Valayre erklärte sich dann bereit, bis zum
Eintreffen der Kollegin zu singen und später zu spielen, während dann
Katherine Broderick aus dem Orchestergraben sang.
Trotz
Erkrankung gelang Sylvie Valayre eine der großartigsten gesanglichen Leistungen,
die ich in diesem Fach bislang gehört habe. Sie verfügt über einen charakteristischen
Sopran, höhensicher und koloraturgewandt, gepaart mit einer unglaublichen
Bühnenpräsenz. Wenn sie zum Brindisi in einem Goldlamékleid mit entsprechendem
Hüftschwung bewegt, ist klar, womit sie ihren Gemahl überredet, nach der
Krone zu greifen.
Ab
der Bankettszene wurde der gesangliche Part dann von Kathleen Broderick
übernommen, die brav sang und alle Töne hatte, aber wesentlich mädchenhafter
und keuscher klang. Der dringende Wunsch, Sylvie Valayre die gesamte Partie
singen zu hören, wurde am 3. Dezember erfüllt. Die Sängerin ist in der
Lage, einen vollkommen bösen Charakter auf die Bühne zu stellen, ohne
ein einziges Mal zu übertreiben. Die Stimme, in allen Lagen gleich gut
durchgebildet, kann vom Umgarnen bis zur Ironie alles ausdrücken. Und
die Position, in der diese Künstlerin nicht singen kann, muß erst noch
gefunden werden.
Am
26. November hatte man dann das sehr zweifelhafte Vergnügen, Francesca
PATANÉ zu sehen und zu hören. Daß sie die Inszenierung darstellerisch
nicht ausfüllte, wäre aufgrund der Umstände verzeihlich gewesen. Unverzeihlich
ist jedoch die gesangliche Leistung. Da wurden Spitzentöne in kaum zu
übertreffender Schrillheit herausgeschleudert, technische Schwierigkeiten
waren unüberhörbar, ein schnelleren Passagen quäkte die Stimme nur noch.
Indiskutabel auch die Textbehandlung, bei der man kein Wort verstehen
konnte.
Ehemann
dieser zweieinhalb Damen war Lucio GALLO, der sich von seinen Anfängen
bei Mozart und in den lyrischen Rollen zu einem veritablen Verdi-Bariton
entwickelt hat. Die Stimme ist nochmals gewachsen, so daß man sich fragen
muß, wo sie denn noch hin will. Von einigen kleinen Anfangsschwierigkeiten
abgesehen, kann man sich nicht vorstellen, daß die Partie noch nuancierter
gesungen werden kann. "Pieta, rispetto, amore" war eine Meisterleistung
an Phrasierung. Eine Besonderheit bei diesem Sänger war auch schon immer
die Darstellung. Macbeth ist ebenso deutlich wie seine Frau auf dem Weg
in den Wahnsinn, der sich bei ihm durch extreme Paranoia äußert. Das ständige
Absichern mit dem Schwert in alle Richtungen in der Erwartung, jemand
könnte ihn angreifen, ist überzeugend umgesetzt. Daß Gallo auch noch eine
gute Erscheinung mit den Macbeth zugedachten langen Mänteln bietet (insbesondere,
wenn er im Finale 1. Akt bereits im Königsornat erscheint) ist nur das
Sahnehäubchen.
Kwangchul
YOUN (Banquo) verfügt über eine der komplettesten Baßstimmen der jüngeren
Sängergeneration. Zudem strömt die Stimme wunderschön. Seine Arie ist
ein weiterer Höhepunkt dieser an Höhepunkten nicht gerade armen Abende.
Auch im Spiel kann er Akzente setzen.
An
letzterem fehlt es dem jungen Tenor Rolando VILLLAZON (Macduff den November-Vorstellungen)
noch etwas. Er verfügt jedoch über erstaunliches Material und wird sicherlich
Karriere machen. Vielleicht sollte er sich aber nicht nur auf seine Arie
konzentrieren und bei dieser ein paar Schluchzer weniger einbauen, sondern
auch den Rest der Partie mit der gleichen Emphase singen. Diese zwei Einwände
gelten weniger für den Macduff des 3. Dezembers Eduardo VILLA.. Trotzdem
war bei Villazon der Eindruck besser, denn Villas Piani klingen unausgeglichen
und auch der Legatogesang scheint ihm Schwierigkeiten zu bereiten.
Stephan
RÜGAMER (Malcolm) war der pure Luxus und nutzte die Szene vor der Cabaletta
für zwei Tenöre auch zur darstellerischen Profilierung. In den kleinen
Rollen bewiesen noch Nyla VAN INGEN (Kammerfrau), Daniel BOROWSKI (Mörder/Erscheinung/Arzt)
und Bernd RIEDEL (Diener) auf welch hohem Niveau die Staatsoper auch diese
Partien besetzen kann. MK
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