In
der siebzehnten Folge unseres kleinen Streifzuges durch die verschiedenen
Stimmgattungen wollen wir uns heute einer lange vernachlässigten Gattung
widmen: dem URTEILSTENOR.
Nicht
viele große Komponisten haben für diese Unterart des Tenors geschrieben,
ein Teil des entsprechenden Repertoires ist schon recht mittelmäßig, wie
man zugeben muß. Dies mag erklären, weshalb viele junge Sänger nicht einmal
erwägen, eine Entwicklung zum Urteilstenor durchzumachen.
Dabei
bietet das Repertoire zumindest von der Dankbarkeit der Partien her große
Möglichkeiten. Nach einem Rubrumchor tritt regelmäßig der Tenor auf, auf
dessen Rolle sich normalerweise das gesamte Stück konzentriert. Auch wenn
er einmal nicht sehr viel zu singen hat, so ist doch das ganze Stück um
ihn herum aufgebaut.
Er
beginnt seine Rolle üblicherweise mit einer großangelegten Cavantine,
der sogenannten Tenorierung. Häufig ist der Inhalt von dramatischer Intensität,
weil viel vom Gelingen dieses Gesangsstückes abhängt. Es folgt dann oft
eine Rezitativphase, in welcher der Tenor einen Moment zum Erholen erhält.
Interessanterweise beschäftigt sich dieser Teil meist mit der Frage, wer
die Kosten zu tragen hat.
Schließlich
folgt eine als "Vollstreckungsstretta" bekannte, furiose und hochvirtuose
Cabaletta, die nicht selten in einem Spitzenton endet, der den Tenor vor
große Herausforderungen stellt. Im Begründungsakt werden dem Tenor dann
Duette mit dem Tatbestandssopran und dem Entscheidungsgründenmezzo zuteil,
die manchmal von einigen Dissonanzen begleitet werden.
Die
bekanntesten Stücke für den Urteilstenor sind "Der lärmende Nachbar",
"Ehestreit" und aus der frühen Moderne "Wenn du nicht die Klappe hältst,
poliere ich sie dir".
Noch
weniger als der Urteilstenor haben sich die verwandten männlichen Stimmgattungen
durchgesetzt. Der Beschlußbariton und der Vergleichsbaß sind fast völlig
von der Bildfläche verschwunden.
Dr. Carole Thura
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