ISehr
geehrte Damen und Herren, ich begrüße Sie heute zu einer neuen Folge der
Reihe "Ungelöste Fragen der Opernwelt" oder "Was Sie noch nie über Oper
wissen wollten, aber jetzt beim Weiterlesen zwangsläufig erfahren werden".
Heute
wollen wir uns mit Wagners "Lohengrin" befassen.
"Lohengrin"
wirft hierbei mehrere Fragen auf. Zunächst einmal die naheliegendste,
nämlich das Problem des Frageverbots. Elsa darf nicht fragen, wie ihr
Mann heißt. Offenbar will sie ihn jedoch unbedingt bei einem Namen nennen.
Warum ruft sie ihn nicht einfach so, wie Millionen von Frauen ihren Mann
nennen, nachdem sie seinen Namen längst vergessen haben? Schatzi, Hasi
oder gar Bärchen? Ist sie dafür nicht einfallsreich genug?
Diese
Frage liegt auf der Hand und ist von der Wissenschaft noch nicht abschließend
geklärt worden. Aber eine zweite Frage ist noch viel, viel komplizierter
zu lösen. Elsa und Lohengrin heiraten. Sie schließen die Ehe im Münster.
Aber wie? Es ist sicherlich vorstellbar, daß der Pfarrer Elsa fragt: "Willst
du Elsa von Brabant den hier anwesenden Mann zu deinem rechtmäßig angetrauten
Gatten nehmen...?" Aber was sagt er, wenn er Lohengrin fragt? "Willst
du, unbekannter Ritter...?"
Und
viel wichtiger, was steht im Kirchenbuch, bzw. in der Heiratsurkunde?
"Es schlossen die Ehe Elsa von Brabant und der Typ mit dem Schwan"? Oder
"Es heirateten der Kerl, der seinen Namen nicht nennt, und Elsa von Brabant"?
Das kann niemand nachvollziehen und wird daher nicht gültig sein. In Ordnung,
es gibt Rechtsordnungen, in denen jeder erwachsene Mann ein Paar trauen
durfte (der Schmied im schottischen Gretna Green ist ein Überbleibsel
dieser Traditionen), aber einen Namen mußte man auch dabei nennen - und
sei es einen falschen.
Wie
heißt Elsa eigentlich nach der Eheschließung? Elsa mit dem Schwan? Elsa
die seinen Namen nicht kennt? Da kann man schon verstehen, daß sie die
fatale Frage stellt, um endlich zu wissen, wie sie denn jetzt heißt oder
gar einen dieser höchst lächerlichen Namen wieder loszuwerden. Es ist
schließlich nirgendwo vermerkt, daß Lohengrin ihren Namen annimmt. Nur
den Titel "Schützer von Brabant" trägt er fortan.
Ob
hier eine tatsächlich rechtsgültige Ehe geschlossen worden ist, dürfte
zumindest zweifelhaft sein. Wenn aber die Ehe gar nicht gültig ist, dann
hat Elsa auch gar keinen Anspruch darauf, daß Lohengrin bei ihr bleibt,
da dies ja nur durch die Ehe gesichert wäre. Er hätte sie jederzeit verlassen
können. War es möglicherweise ein Hintertürchen, daß sich Lohengrin da
offen gelassen hat, um jederzeit mit dem nächsten Linienschwan verschwinden
zu können, was bei einer gültigen Ehe im Mittelalter gar nicht so leicht
gewesen wäre, wie man denken mag? Wäre doch eigentlich verständlich, wo
Elsa doch meist fürchterlich fad ist.
Seien
Sie auch nächste Woche wieder dabei, wenn wir zusammen mit Gianni Schicchi
versuchen, die Frage zu klären, warum eigentlich Buoso Donatis erbschleicherische
Verwandtschaft so scharf auf dieses Maultier ist... Dr. Carole Thura
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