Interview mit Massimiliano Pisapia (Juni 2008)
"…Gott,
der mir die Stimme gab, Franco Corelli, der mich unterrichtete - und
meinen Vater, der meine Ausbildung bezahlte."
Massimiliano
PISAPIA wurde im Lokal seiner Eltern entdeckt, wo er regelmäßig u.a.
"Nessun dorma" zum besten gab. Eine Sängerin hörte ihn dort und schlug
ihm vor, seine Stimme ausbilden zu lassen. Eigentlich eine Geschichte
wie aus dem Märchenbuch der Oper, irgendwie. Trotzdem glaubt man sie
sofort, denn dieser italienische Tenor erzählt ungekünstelt und natürlich
drauf los.
"Sie
sagte, ich klänge sehr gut, und ob ich nicht studieren wolle. Ich dachte
mir, weshalb nicht. Mit zwanzig habe ich angefangen, zwei Jahre Musik
zu studieren, und danach fünf Jahre mit Maestro Franco Corelli gearbeitet."
Im 2001 debütierte er als Pinkerton in "Madame Butterfly". Seitdem war
er u. a. beim Maggio Musicale Fiorentino, am Teatro Colon di Buenos
Aires, am Opernhaus Zürich sowie an der Wiener Staatsoper und der Mailänder
Scala zu hören. An der Hamburgischen Staatsoper, an die ihn Operndirektor
Josef Hussek geholt hat, sang er neben dem Pinkerton bereits Gabriele
Adorno, Gustavo und Rodolfo.
Neben
seinem Lehrer Corelli, den er - verständlicherweise - vergöttert, habe
er weitere Vorbilder, allerdings "nicht als eine Imitation. Ich bewundere
Caruso, Placido Domingo, Carreras, auch Pavarotti, aber dort eher die
Professionalität, die Stimmfarbe gefällt mir jedoch weniger, ich mag
lieber runde, dunkle Farben." An José Carreras gefalle ihm die Eleganz
in der Stimme. Für den Pinkerton habe er sich von der Interpretation
Carlo Bergonzis inspirieren lassen.
Die
Vorbereitung einer neuen Partie beginne er häufig mit einer Aufnahme
eines Sängers, der ihm gefalle, dessen Stimme mit seiner vergleichbar
sei. Nach Studium von Partitur und Libretto probe er am liebsten gemeinsam
mit einem Korrepetitor des Teatro Regio di Torino. Auf diese Weise erarbeiteten
sie zusammen die Atmung, die Intensionen des Komponisten, etc. Diese
Unterstützung sei perfekt.
Auf
seine gute Diktion angesprochen, meint der Tenor, man müsse singen,
wie man spreche, und immer wissen, worum es im jeweiligen Moment eigentlich
gehe. Als Muttersprachler habe er in der italienischen Oper natürlich
Vorteile.
In den vergangenen sieben Jahren hat Massimiliano Pisapia ca. zwölf
Partien gesungen unter anderem in "Madame Butterfly", "La Bohème", "L'elisir
d'amore", "Simon Boccanegra", "Lucia di Lammermoor", "Macbeth" sowie
verschiedene Konzertsoli in Rossinis und Dvoraks "Stabat Mater", im
Verdi-Requiem. "Mein Traum ist, alles zu singen… Natürlich habe ich
einen Plan, welche Partien ich in einigen Jahren singen werde. Mein
Terminkalender geht zur Zeit bis 2014."
Zur
Zeit hält er Gustavo/Riccardo in "Un ballo in maschera" für seine schwierigste,
aber auch wichtigste Rolle. Als nächste neue Rolle komme 2010 Cavaradossi
in Cagliari. Natürlich würden ihm auch andere Sachen angeboten werden,
die er theoretisch bereits singen könnte, welche er jedoch zugunsten
seiner Stimme erst später machen wolle. Er wünscht sich eine lange Karriere,
in der er die Rollen singe, die ihm gefallen und am besten zu seiner
Stimme paßten.
Die
Sicherheit, mit der er alle seine Partien angeht, resultiere in erster
Linie aus seiner guten Technik, auf die er sich verlassen könne, und
wegen der er sich auf der Bühne entspannt fühle. Außerdem gewinnt man
in dem Gespräch rasch den Eindruck, daß neben seiner musikalischen Karriere
die Familie, seine Frau und die drei kleinen Kinder, die größte Rolle
spielt. Er versuche, so häufig wie möglich zwischen den Auftritten zuhause
zu sein.
"Ich
höre eigentlich jede Art von Musik, von Rock bis zur Oper, mir gefällt
fast alles, weil die Musik eine unglaubliche Sache ist, die so viel
Gefühl und Leidenschaft enthält.", sagt er und lacht. Die positive Energie
und Freude an seiner Arbeit, die uns zuvor an diesem Abend auch bei
seinem Auftritt als Pinkerton aufgefallen war, setzt sich in diesem
Gespräch mit seiner Normalität und Unkompliziertheit nahtlos fort. Generell
sollte man eine Vorstellung mit Massimiliano Pisapia nicht verpassen.
Von
seinen großen gesanglichen Fähigkeiten kann man sich außerdem leicht
selbst ein Bild machen. Es gibt DVDs der Produktionen "Roberto Devereux"
aus Bergamo mit Dimitra Theodossiou, "Un ballo in maschera" aus Leipzig
und "La Bohème" aus Torre di Lago. Zur DVD-Produktion "Un ballo in maschera"
aus Leipzig erzählt er: "Es gab zwei wichtige Faktoren: das gute Orchester
und das ausgezeichnete Dirigat von Riccardo Chailly. Chailly ist ein
phantastischer Dirigent mit großer Intensität."
Außerdem
existiert eine CD aus dem Jahre 2004 von der unbekannten Oper "Consuelo"
von Alfonso Rendano.
Es
war ein sehr interessantes Gespräch mit jemandem, der nicht nur Ahnung
von Musik und Operngesang hat, sondern auch mit Begeisterung über Tischfußball
reden kann. Wir wünschen uns viele weitere Abende mit all den Partien,
die in der weiteren Karriere Massimiliano Pisapias anstehen werden,
und versuchen, möglichst wenige davon zu verpassen. MK & AHS
P.S.
Wir bedanken uns neben Jens Pittroff, der für uns ins wie aus dem Italienischen
(und Spanischen) übersetzte, auch bei Luana D'Aguì für all die Arbeit,
dieses Interview möglich zu machen. Grazie tanto!