Das
Interview wurde von Irene Stenzel verfaßt und jeweils ins bzw. aus dem
Italienischen übersetzt von Dr.Fabian Stallknecht.
Herr
Colombara, Sie weilen derzeit in München zu einer Wiederaufnahme der
Verdi-Oper "Luisa Miller", in der Sie den Conte di Walter interpretieren.
Claus Guth übernahm die Inszenierung und hatte dafür etwas eigenwillige
Regiegedanken. Wie denken Sie, der Sie in aller Welt singen, überhaupt
über die heutigen Regie-Ideen an Opernhäusern?
Solange solche Ideen nicht gegen die Musik gerichtet sind, und den
Autor, die Sänger und das Publikum respektieren, ist für mich alles
wunderbar! Mich beleidigen nur solche Regisseure, die die Oper weder
kennen noch lieben, solche, die es toll finden, ausgebuht zu werden
weil es ihnen noch Publicity bringt. Ich glaube, man sollte solche Idioten
nicht mehr ausbuhen, sondern sie lieber nach der Vorstellung direkt
ansprechen und ihnen ein paar passende Worte sagen…
Unterscheiden
sich die Inszenierungen voneinander, vor allen Dingen, gibt es Unterschiede
hinsichtlich der Regie-Ideen an europäischen Opernhäusern zu den Opernhäusern
in Übersee, vor allen Dingen auch Unterschiede hier zu den Opernhäusern
in Italien?
In
Amerika existiert noch etwas von dieser gesunden Tradition. In Europa
dagegen werden die Kinder in ein paar Jahren leider wegbleiben, nachdem
sie einmal so eine Aufführung gesehen haben. Wir sind dabei, eine Publikumsgeneration
zu verlieren, wenn nicht Schlimmeres.
Fühlen
Sie sich wohler in traditionellen Inszenierungen und haben Sie eine
Erinnerung an eine Ihrer Auffassung von Inszenierung besonders entgegenkommende
Produktion?
Natürlich, schließlich liebe ich die Oper! Sehr gerne erinnere ich
mich an eine großartige Inszenierung von "Don Carlo" in der Regie von
Visconti und an eine Zeffirelli-Inszenierung von "Aida" in Tokio. Und
alle Rossini-Inszenierungen von Ponnelle!
Sie
stammen aus Bologna, einer Stadt mit großer Opernprägung, haben sozusagen
"das Milieu der dortigen Oper mit der Muttermilch aufsaugen können".
Gab es für Sie auch familiäre Hintergründe, daß Sie Sänger werden wollten
oder wie hat sich dieser Wunsch entwickelt?
Vermutlich
habe ich da tatsächlich etwas im Blut, von meinem Onkel Riccardo Stracciari…
Auf jeden Fall wollte ich schon mit neun Jahren Sänger werden!
Bei
Paride Venturi haben Sie dann auch Gesang studiert. Können Sie ein wenig
über Ihren Gesangslehrer berichten, und warum Sie gerade bei ihm studiert
haben?
Paride Venturi ist der letzte Lehrer aus einer großen Schule, derjenigen
des Tenors Melocchi, des Lehrers von Franco Corelli und Mario Del Monaco.
Heute gibt es solche Maestri nicht mehr, leider. Er war zweifellos der
größte Glücksfall in meiner Karriere. 1986 wurden Sie beim renommierten
G.B. Viotti-Wettbewerb in Vercelli zum besten italienischen Sänger gekürt
und haben bereits ein Jahr später den Concorso As.Li.Co in Mailand gewonnen,
ein Wettbewerb, bei dem der Sieger ein Rollendebut gewinnt.
Sie
haben in der Folge noch mehrere Preise gewonnen, darunter haben Sie
den Premio Lauri Volpi 1994, den Premio Orazio Tosi 1995, den Premio
Cappelli 1999 und den Matassa d'oro 2002 gewonnen. Ist es nach Ihrer
Ansicht für einen Sänger wichtig, an vielen Wettbewerben teilzunehmen,
und war für Sie einer der Preise entscheidend für Ihren Karriereweg?
Diese Preise sind eine Bestätigung, aber für die Karriere eines
Sängers bedeuten sie nichts, da zählt es nur, über viele, viele Jahre
gut zu singen! Die Wettbewerbe dagegen helfen schon, allerdings nur
die, bei denen die Sieger am Ende in einer Oper auftreten. Die, wo es
nur um Geld geht, bringen nur etwas, wenn sie sehr prominent sind und
das Fernsehen, die Agenten und die Intendanten anziehen.
Welche
Rolle haben Sie denn beim Concorso As.Li.Co gewonnen, und wo hat dann
das Debut stattgefunden?
Das
war am Teatro Carcano in Mailand, als Le Baili in "Werther" und in Rossinis
"Petite Messe Solennelle".
Danach
haben Sie ja dann eine steile Karriere begonnen, haben an allen führenden
Opernhäusern Italiens gesungen und an der Scala 1989 debutiert mit dem
Procida in Verdis "I Vespri Siciliani", überhaupt eine steile internationale
Karriere begonnen, an der Met haben Sie mit dem Ramphis in Verdis "Aida"
debutiert. Mit welcher Partie und an welchem Opernhaus begann Ihre internationale
Karriere?
Das war mit "I Vespri Siciliani" mit Muti an der Scala.
Fehlt
Ihnen eigentlich noch ein Opernhaus, an dem Sie noch singen wollen?
Gibt es für Sie eine Partie, die Sie besonders gerne charakterisieren,
und wieviele Partien haben Sie in Ihrem Rollenkoffer überhaupt? Gibt
es für Sie noch eine Wunschpartie?
Von den großen Theatern fehlt mir nur noch San Francisco. Meine Lieblingspartie
ist der Filippo in "Don Carlo". In den kommenden Jahren möchte ich gerne
noch den Boris Godunov singen. Außerdem fehlt in meinem Repertoire noch
der Mefistofele von Boito, der kommt 2010.
Sie
üben neben Ihrer Operntätigkeit auch eine umfangreiche Konzerttätigkeit
in aller Welt unter namhaften Dirigenten aus. Ist das für Sie neben
Ihrer Operntätigkeit wichtig und wäre es für Sie auch wichtig, in Liederabenden
aufzutreten?
Das ist ein Teil des Berufes! Ich möchte mein Lieder- und Konzertrepertoire
gerne noch erweitern, allerdings werde ich fast immer gefragt, Verdi
zu singen… Es gibt leider nicht mehr viele echte Verdi-Bässe. Aber 2009
singe ich auch einige Liederabende in Spanien.
Sie
gehören mit Ihrem dunklen Timbre, einer außergewöhnlichen Gesangskultur
und mit einem vokalen Farbenreichtum zu den gefragtesten Bassisten.
Wie haben Sie sich diese Gesangskultur erarbeitet? Arbeiten Sie heute
noch an Ihrer so ausgeprägten Gesangstechnik?
Damit habe ich nie aufgehört. Ich besitze zum Glück ein sehr ausgeprägtes
selbstkritisches Bewußtsein, das mir nicht erlaubt, mich auf Erfolgen
auszuruhen, und mich zwingt, immer weiter zu studieren. Das ist keine
Belastung, ich mache das mit derselben Begeisterung wie zu Beginn.
Was
würden Sie jungen Sängerkollegen als Gesangslehrer mit auf den Weg geben?
Sich zu vergewissern, dass man einen guten Gesangslehrer gefunden hat
und nicht einen "Trüffelsucher", der nur ihr Geld will! Leider ist die
Welt voll von solchen… Außerdem sollten sie ein starkes Gespür für Selbstkritik
entwickeln und nicht zu sehr auf diejenigen hören, die immer nur sagen:
"Du bist großartig."
Welche
Zukunftspläne in naher und ferner Zukunft haben Sie?
Viele Theater, viele Engagements, eine DVD-Aufnahme von "Ernani", eine
CD mit französischen Liedern und einen Film mit dem Titel "Die Kunst
des Basses", der im Juni herauskommt. Außerdem eine Werbekampagne für
Hugo Boss… also, ich werde mich nicht langweilen!
März
2008